John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
Yogi 81 hat Lennon niemals den Wunsch erkennen lassen, einer größeren spirituellen Gemeinschaft anzugehören. So erwiderte er beispielsweise auf die Frage, ob er und Yoko Ono Buddhisten seien: »Nein, nein, ich bin nichts. Nein, nein, kein Etikett. Man kann mich einen Zen-Christen nennen, einen Zen-Heiden. Einen Zen-Marxisten. … Ich gehöre keinem Verein an.« 82
Lennon lehnte zwar jede Form von institutionalisierter Religion ab, über die Möglichkeit, dass die individuelle Persönlichkeit, dass Geist oder Seele den physischen Tod überdauern könnten, versagte er sich hingegen ein Urteil. Bei Diskussionen über das Thema Leben nach dem Tod, so hat Paul McCartney einmal eingeräumt, hätten alle vier Beatles einander gelobt, dass derjenige von ihnen, der als Erster stirbt, versuchen wird, mit den anderen Kontakt aufzunehmen. Ferner hat Lennon seinem Sohn Julian versprochen, gesetzt den Fall, ihm sollte etwas zustoßen, werde er Julian ein Zeichen senden, um ihm zu versichern, dass er wohlauf sei. In einem geschlossenen Raum werde vor Julian eine Feder erscheinen und langsam auf den Boden sinken. Nach Lennons Tod wurde freilich weder die zwischen den vier Bandmitgliedern geschlossene Übereinkunft in die Tat umgesetzt noch ging das Versprechen, das er Julian gegeben hatte, in Erfüllung. 83
Lennon war, als er Mitte der Siebzigerjahre »God« schrieb, seit einer Reihe von Jahren selbst zu einer geradezu vergötterten Kultfigur geworden. Als geistiger Kopf derjenigen Band, die eine Schlüsselrolle für die kulturelle Prägung der nach dem Zweiten Weltkrieg herangewachsenen Jugendlichen innehatte, konnte er davon ausgehen, dass seine Ansichten und Einschätzungen weltweit Resonanz finden würden.
Die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten versuchte er für positive Zielsetzungen zu nutzen. Bewusst verbreitete er eine Botschaft, in der es um Frieden und Liebe ging. Sein Ego hat die Erfahrung, von anderen vergöttert zu werden, zwar ganz bestimmt genossen, nichtsdestoweniger bereitete ihm diese Rolle immer mehr Unbehagen.
Denn wer auf die öffentliche Meinung in diesem oder jenem Sinn Einfluss zu nehmen versuchte, der wusste selbstverständlich, dass bereits der bloße
Anschein
, John Lennons Unterstützung zu genießen, dem eigenen Vorhaben viel Rückenwind verschaffen würde. Darum waren entsprechende Leute unentwegt bestrebt, bei ihm Gehör zu finden, und machten von allen nur erdenklichen Mitteln der Überredungskunst Gebrauch, um ihn für die eigenen Ziele einzuspannen.
In einem anderen, etwa zur gleichen Zeit wie »God« entstandenen Song ließ er keinen Zweifel daran, dass die Machenschaften dieser Leute (»Don’t give me that brother, brother …«/»Verschon mich bloß mit diesem ›hey, Bruder‹ …«) ihm stark zu schaffen machten und wie bestürzend er die große Bereitschaft der Menschen fand, sich selbst – zumal auf Grundlage religiöser Überzeugungen – etwas vorzugaukeln. Dieser Song, »I Found Out«, bedient sich mit Bedacht einer ausgesprochen unpoetischen, aller Künstlichkeit entkleideten Sprache, um zum Ausdruck zu bringen, zu welchen Schlussfolgerungen die Suche bei Lennon geführt hatte, und um andere Menschen zu ermutigen, seinem Beispiel zu folgen und sich von kulturell überkommenen Glaubenssystemen frei zu machen.
Seine Botschaft ist unmissverständlich: Übernehmt nicht einfach die Dinge, die man euch erzählt hat; stellt vielmehr sicher, dass ihr autonome Individuen bleibt; lasst euch durch Regeln und Gesetze, die sich jemand anderes ausgedacht hat, keine geistigen Fesseln anlegen.
Nachdem er sich jenes eine Mal selbst zum Narren hatte halten lassen, warnte er andere Menschen davor, nach einem Guru zu suchen: Warum sich dem Glaubenssystem eines spirituellen Lehrers, eines »heiligen Mannes«, unterwerfen, wenn der über keine Möglichkeit verfügt, die individuellen Lebenserfahrungen, Wahrnehmungen und Potenziale seiner Schüler zu erkennen und ihnen mit Wertschätzung zu begegnen?
Zähl bloß nicht darauf, dass Jesus wiederkehrt, um dich zu retten, meint Lennon. Und zu denjenigen, die sich den ganzen Tag lang dem »Hare Krishna«-Singsang widmen, merkt er an, dass sie nur leeren Versprechungen nachhängen, sich mit dem Bau von Luftschlössern die Zeit vertreiben, statt sich mit der realen Welt auseinanderzusetzen.
Ebenso wenig können Drogen uns auf die Fragen, die uns bewegen, eine Antwort geben. Auch sie stellen lediglich eine Ablenkung dar, dienen der Zerstreuung, dem
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