John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
Spanier macht noch keinen Sommer
veranschaulicht das auf charakteristische Weise. Jede der fünf Strophen enthält Anspielungen, die ein gläubiger Christ als Kränkung empfinden könnte. Andererseits sind diese Verweise durch die Lennon’sche Schreibe derart verschlüsselt, dass die eigentliche Bedeutung der betreffenden Stellen diesem Leserkreis in den meisten Fällen entgehen dürfte. Und wer von ihnen dennoch darauf stieße, hätte große Schwierigkeiten, einem Mitmenschen, der diesen Verdacht mit Skepsis betrachtet, überzeugende Argumente zu liefern.
Was fangen wir beispielsweise mit der zentralen Figur von »The Faulty Bagnose« an, dem »Mungle«? Und welche verborgene Bedeutung lauert hinter einer Formulierung wie: »The Mungle pilgriffs far awoy/Religeorge too thee World« (»der mungel pilrimmt in die fern/ein religondel für die welt«)?
Dr. James Sauceda, ein Literaturwissenschaftler, der seine Doktorarbeit seinerzeit über
Finnegans Wake
schrieb, hat zu Lennons literarischem Werk eine gründliche Untersuchung erstellt. Über das zentrale Thema von »The Faulty Bagnose« schreibt er zusammenfassend: »Das Christentum wird als ein sehr stark in Werturteilen befangenes, heuchlerisches Glaubenssystem angesehen.« Dem sprachlichen Code »faulty bagnose« lässt sich seiner Ansicht nach folgender Bedeutungsgehalt entnehmen: »die – obwohl selbst ein vor Mängeln und Defiziten strotzendes Wesen – unablässig penetrant herumkritisierende Knalltüte«. Und »Mungle«, so stellt sich heraus, ist ein authentisches englisches Wort mit der Bedeutung »Rührstab«. Sauceda zufolge verweist es auf einen Prediger, einen Gemeindevorsteher. »Pilgriffs« deutet er als die Pilger, die in die Ferne aufgebrochen sind (»awoy« weist Anklänge an das nautische »Ahoy!« auf), um der religiös motivierten Verfolgung durch Georg III. (»Reli
george«
) zu entgehen. 85 Wie es scheint, möchte Lennon in diesem Gedicht auf seine ganz persönliche, überaus kreative Weise ausdrücken, dass er und die übrigen Beatles mit der entstellten, im Kern unaufrichtigen Religion des Establishments nichts mehr zu tun haben wollen.
Nachdem Lennon sich vom Christentum, dem religiösen Hintergrund seiner Kindheit und Jugend, und von jeglicher organisierter Religion losgesagt hatte, wurde seine Lebenseinstellung säkular und humanistisch. Und er gelangte offenbar zu dem Schluss, dass wir, welche Probleme auch immer wir auf diesem Planeten haben mögen, deren Lösung nirgendwo außerhalb von uns erwarten dürfen. Vielmehr müssen wir in uns selbst für geistige Klarheit sorgen und gemeinsam mit unseren Mitmenschen auf eine Lösung hinarbeiten. Etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.
5
Liebe
In dem Winter am Ende des Entstehungsjahres von »God« und »I Found Out« erging Lennons unerwidert gebliebener Ruf an Gott. Außerdem las er damals
Der lange Weg nach Golgatha
, machte sich viele der dort vorgefundenen Erkenntnisse zu eigen und begann, regelmäßig LSD zu nehmen. Dadurch erschloss sich ihm eine religiöse Erfahrung, die nicht nur einen persönlichen Wandlungsprozess in Gang setzte, sondern auf der musikalischen Ebene eine Öffnung und einen Kreativitätsschub bewirkte.
Zu einer ersten Begegnung mit der Droge war es bereits mehr als ein Jahr davor gekommen, als die Beatles gerade den Film
Help!
drehten. Er und Cynthia begleiteten in London George Harrison und dessen Freundin Pattie Boyd zu einem Abendessen im Haus von Georges Zahnarzt. Als nach dem Essen Kaffee eingeschenkt wurde, gab ihnen ihr Gastgeber Zuckerwürfel in die Tasse – ohne ein einziges Wort darüber zu verlieren, welche besondere Bewandtnis es mit den Zuckerstücken hatte. Bald darauf erlebten sie tiefgreifende Veränderungen ihrer Wahrnehmungen – die Möbelstücke schienen die gewohnt feste Kontur zu verlieren, das Zimmer wirkte riesengroß, die Farben begannen zu pulsieren und gewannen eine nie gekannte Intensität, die Zeit, so ihr Eindruck, stand still. Alle vier gerieten in Panik und waren entschlossen, schleunigst das Weite zu suchen. Da ihr Gastgeber wusste, dass sie Erfahrungen durchlebten, auf die sie geistig nicht vorbereitet waren, versuchte er ihnen zuzureden, sie sollten doch dableiben. Die Zuckerwürfel hätten jeweils eine Dosis LSD enthalten, gestand er ihnen nun. Mit seinen hektischen Appellen, das Haus lieber nicht zu verlassen, jagte er den beiden Frauen aber Angst ein. Sie argwöhnten, die Droge habe eine aphrodisierende Wirkung, und
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