John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
experimentieren, sich für alternative Lebensstile und Weltanschauungen begeistern konnte.
Nie hat er darüber jedoch seinen zynischen Scharfblick verloren. Von einem Weg, der sich als trügerisch erwiesen hatte oder der von jemandem mit nicht ganz durchschaubaren Motiven falsch dargestellt wurde, konnte er von einem auf den anderen Moment wieder abrücken. Letzten Endes blieb er der eigenen Unabhängigkeit treu und wollte um jeden Preis, selbst wenn es mühsam war,
seinen
Weg finden.
Jene Lebensphase, in der Lennon die dunkle Nachtseite der Seele erlebte, sollte noch bis in die Mitte der Siebzigerjahre andauern. Seine Hinwendung zur neuen Linken fiel ebenso in diese Phase wie die Schikanen seitens des FBI oder das sogenannte »verlorene Wochenende« – die Flucht in Alkohol und Drogen. Dennoch bekam er in den letzten Monaten der ausgehenden Sechzigerjahre erstmals wirklich Boden unter die Füße. Genau das hatte er sich all die Jahre sehnlichst gewünscht.
Und die Möglichkeit, an solch einen Punkt zu gelangen, erwuchs ihm aus seiner innigen Verbindung mit Yoko Ono. In ihrer vielschichtigen und facettenreichen Partnerschaft war sie für ihn nicht nur die Befreierin, sondern zugleich sein Orientierungspunkt und auch der Stachel, der ihn anspornte. Dank der Freiheit, zu der er durch sie fand, gelang es ihm im Lauf der Zeit, jenen gläsernen Schaukasten zu verlassen, in den ihn die Öffentlichkeit mit dem Etikett des Rock-Superstars platziert hatte. Deshalb wollte man auch nicht zulassen, dass er sich als der erstklassige »Künstler« neu entdeckt.
Jahre sollten erst noch vergehen. Doch die schmerzhafte Neufindung, die – mit seiner Beziehung zu Yoko Ono – Mitte 1968 begann, versetzte ihn in die Lage, sein größtes Werk zu verwirklichen: das Kunstwerk des eigenen Lebens.
Hörenswerte Songs zu diesem Kapitel:
A Day in the Life (
Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band«
1967)
All You Need Is Love (Single,1967,
Magical Mystery Tour
)
Revolution (Single, 1968,
Past Masters Volume 2
)
Across the Universe (
Let It Be
, 1970)
God (
John Lennon/Plastic Ono Band
, 1970)
I Found Out (
John Lennon/Plastic Ono Band
, 1970)
8
Die künstlerische Wiedergeburt
Die erste Begegnung zwischen John Lennon und Yoko Ono fand sinnigerweise in einer Kunstgalerie statt. Er hatte sich entschlossen, die Einladung von John Dunbar, Inhaber der Londoner Indica Gallery, anzunehmen und an einem Novemberabend des Jahres 1966 eine Ausstellungseröffnung zu besuchen.
Nachdem die Beatles im August ihre letzte gemeinsame Tournee beendet hatten, stürzte Lennon sich gleich in die Dreharbeiten zu
Wie ich den Krieg gewann
. Darüber hinaus aber wollte er mit den aktuellen Kunsttrends auf Tuchfühlung bleiben und so begann er nach Abschluss der Dreharbeiten durch die Galerien der Stadt zu ziehen.
John Dunbar war es gelungen, mit der Bemerkung, ein vielversprechendes neues Talent aus den USA sei bei ihm zu Gast, eine Avantgarde-Künstlerin japanischer Herkunft, seine Neugierde zu wecken. Den Besucher, so Dunbar, erwarteten einige Überraschungen. Ein Element des »Happenings«, das sie in seiner Galerie inszeniere, bestehe darin, mit einer zweiten Person in einen schwarzen Sack zu steigen. Eine erregende Aussicht, fand Lennon, der dabei nur an Kleiderausziehen und Sex dachte.
Bei seinem Eintreffen in der Galerie stellte Lennon fest, dass dies der Tag vor Eröffnung der Ausstellung war. Während er durch die Räume schlenderte, fiel sein Blick auf zwei krumme Nägel, die auf einer Plastikschachtel lagen. Als Nächstes sah er, auf einem Podest präsentiert, einen frischen Apfel. Daneben ein Schild, auf dem schlicht »Apfel« stand. Der Kaufpreis für das letztgenannte Werk betrug zweihundert Pfund Sterling. Es dauerte nicht lange, da kam John Dunbar in Begleitung von Yoko Ono auf ihn zu, um seinem reichen Kunden Hallo zu sagen. Ono reichte Lennon eine Karte, auf der das Wort: »Atme« zu lesen stand, sonst nichts. »Und ich sagte: ›Du meinst [
er atmet heftig
]?‹ Sie sagt: ›Genau. Du hast’s erfasst.‹ Und ich denke: ›Ich hab’s erfasst!‹ [
Lacht
] Eigentlich bin ich aber total darauf eingestellt, in Aktion zu treten. Ich will was tun.«
Lennons Blick fiel auf eine Leiter. Wer sie bestieg, kam näher an ein Bild heran, das wie ein Stück schwarze Leinwand aussah und unter der Zimmerdecke befestigt war. Daneben hing an einer Kette ein Fernglas.
Das hat mich veranlasst zu bleiben. Ich bin auf die Leiter gestiegen und hab nach
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