John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
Stränge schlagen und sich allem, was ihm gefällt, zügellos hingeben kann. Man unternimmt einfach alles nur Erdenkliche, damit der König an seinem Thron anhaftet und bloß nicht auf ihn verzichten will. Die meisten Menschen in solch einer Position wachen niemals auf. Entweder gehen sie geistig oder physisch vor die Hunde, oder beides. Und Yoko verdanke ich meine Befreiung aus dieser Situation – mal ganz davon abgesehen, dass sie mir geholfen hat, mich zu einem Feministen zu emanzipieren.« 156
Die damals erlebte geistige Befreiung versetzte ihn in ein regelrechtes Hochgefühl. Und als er in den Sommerund Herbstmonaten des Jahres 1968 seine Fesseln abwarf, kümmerte er sich kein bisschen darum, was andere Leute – wer auch immer es war – dazu meinen mochten. In solch einem Verhalten fand nicht nur seine Entscheidungsfreudigkeit ihren Ausdruck, es entsprach auch seinem Persönlichkeitstyp, dem »ungehobelten Sohn der Arbeiterklasse«. Ebenso entsprach es dem nahezu unumschränkten gesellschaftlichen Einfluss, über den die Beatles verfügten, außerdem seiner Geringschätzung für jene bürgerlichen Konventionen, aufgrund derer er einem Geschick in die Falle getappt war, das er sich so weder gewünscht hatte noch ausgesucht hätte. Freilich würde er für dieses Verhalten später noch einen furchtbar hohen Preis bezahlen.
Bei der Rückkehr aus Griechenland stellte Cynthia Lennon fest, dass ihr Leben sich ebenfalls schlagartig und unwiderruflich gewandelt hatte. Zunächst einmal suchte sie Trost im Wein und in einer gemeinsamen Nacht mit Lennons Freund Alex Mardas. Dann bemühten sie und John sich für eine Weile, die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass sich nichts geändert habe.
Kurz bevor Cynthia eine schon lange fest eingeplante Italienreise antrat, erfuhr sie jedoch, John beabsichtige, sich von ihr scheiden zu lassen. Als sie nach London zurückkehrte, wurden ihr entsprechende anwaltliche Schriftsätze vorgelegt: Aufgrund des Vorfalls mit Alex Mardas bezichtigte Lennon
sie
des Ehebruchs. 157
Lennon hatte sich nun gänzlich auf sein neues Leben eingelassen, er fühlte sich frei. Schon bald musste er den Preis für diese Freiheit bezahlen. Das neue Paar hätte selbstverständlich den Versuch unternehmen können, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit wenigstens so lange zu entziehen, bis alle Scheidungsformalitäten erledigt waren. Für Ono galt dies ebenso wie für Lennon, denn auch sie war verheiratet. Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen entsprach freilich weder seiner noch ihrer Mentalität. Vor allem Lennon zog es vor, freimütig und offen zu sein, egal um welchen Preis. Von Ono angespornt, fühlte er sich außerdem ermutigt, sein künstlerisches Potenzial neuerlich zum Ausdruck zu bringen.
Aus Sicht der beiden bot die National Sculpture Exhibition, bei der eine Auswahl der besten zeitgenössischen Skulpturen zu sehen sein würde, eine passende Gelegenheit für die Präsentation eines gemeinsamen Werkes. John hatte die Idee, zwei Eicheln – die eine Richtung Osten, die andere Richtung Westen – in den Boden einzupflanzen: als Sinnbild ihrer Liebe wie auch des Verschmelzens und Aufstrebens zweier Kulturen. 158
Aufgrund seiner außerordentlichen Prominenz und der dadurch gewährleisteten öffentlichen Aufmerksamkeit zeigte sich das Ausstellungsgremium zwar bereit, ihre Eingabe anzunehmen, lehnte es jedoch ab, das Werk in den offiziellen Ausstellungskatalog einzubeziehen. Daraufhin veröffentlichten die beiden einfach ihren eigenen Katalog. Unter anderem wurde dort wiedergegeben, was John über die Skulptur sagte: »Das geschieht, wenn sich zwei Wolken begegnen.« Und auf der gegenüberliegenden Seite Yokos Aussage: »Das geschieht, wenn sich zwei Wolken begegnen. (Der Satz ist Johns Idee, doch die Idee war so gut, dass ich sie geklaut habe.)« 159
Ein herber Rückschlag stand ihnen freilich noch bevor. Die wichtigsten Skulpturen sollten draußen zwischen den Ruinen der im Krieg zerstörten Kathedrale von Coventry ausgestellt werden. Als Lennon und Ono am Tag vor der Ausstellungseröffnung mit den beiden Eicheln, jede in einem Blumentopf verwahrt, in Coventry eintrafen, wurden sie vor der Kathedrale von Domherr Verney, dem zuständigen Repräsentanten der Kirchenverwaltung, in Empfang genommen. Der aber teilte ihnen mit, aufgrund ihres Standes als unverheiratet zusammenlebendes Paar, beide obendrein noch mit einem Ehepartner verheiratet, dürfe er nicht zulassen, dass sie ihre Arbeit auf dem
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