John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
beantworten. Als die Antikriegsbewegung an Kraft gewann und Lennon immer wieder nach seiner Meinung gefragt wurde, verbot ihm sein Selbstverständnis, noch länger zu schweigen. Außerstande, dieses Publicity-Spiel weiter mitzuspielen, brach er das Schweigen schließlich und sagte, was er in Wahrheit davon hielt. Glücklicherweise traf es sich, dass der Moment, in dem er der Wahrheit zu ihrem Recht verhalf, gerade ein besonders günstiger Moment war.
In jenem fast überall in den Medien verbreiteten Interview, in dem er sich genötigt fühlte, sich für seine Bemerkung zu entschuldigen, die Beatles seien inzwischen populärer als Jesus, waren all die zur Pressekonferenz versammelten Journalisten und Reporter nur auf dieses Thema fixiert, so schenkten sie seiner Antwort auf eine nachfolgend gestellte Frage zum Vietnamkrieg schon gar keine wirkliche Beachtung mehr: Denn ohne Umschweife verurteilte er da die jüngste Eskalation des Krieges durch die von Präsident Johnson angeordneten Bombenangriffe auf Hanoi. 146
Gleich nach Abschluss dieser Tournee – der »Jesus Christ Tour«, wie sie von den Beatles genannt wurde – übernahm Lennon eine Rolle in einem weiteren Film. Regisseur Richard Lester, der schon die beiden Beatles-Filme
Yeah Yeah Yeah
(
A Hard Day’s Night
) und
Hi-Hi-Hilfe
(
Help!
) gedreht hatte, stand kurz vor den Dreharbeiten zu einem Antikriegsfilm. Mit
Wie ich den Krieg gewann
unternahm Richard Lester den Versuch, einen Gegenentwurf zu den sonstigen Kriegsfilmen zu liefern. Er wollte die ganze Absurdität des Krieges anschaulich machen, wollte zeigen, wie sinnlos es prinzipiell ist, Konflikte mit Waffengewalt zu lösen: »Eine der größten Schweinereien im Zusammenhang mit Krieg ist der Kriegsfilm. Sie handeln den Krieg auf der Leinwand ab wie ein ganz tolles großes Abenteuer, bei dem in Western-Manier Statisten umgebracht werden.« 147 Die Figur, die Lennon in dem Streifen spielte, war Gripweed, ein ahnungsloser einfacher Soldat, der unter einem völlig unfähigen Offizier den Auftrag erhält, in der Wüste Nordafrikas hinter den feindlichen deutschen Linien ein Cricketfeld anzulegen. In einem belanglosen Scharmützel kommt Gripweed schließlich ums Leben.
Der Vietnamkrieg war Anlass zu einem allgemeinen Umdenken: In den Siebzigerjahren nahmen immer mehr Menschen der Politik gegenüber eine zynische Haltung ein. Von den insgesamt 58 000 im Lauf des Krieges gefallenen amerikanischen Soldaten verloren 22 000 noch ihr Leben, nachdem Richard Nixon 1969, dessen zentrales Wahlversprechen in einem angeblichen Geheimplan zur Beendigung des Krieges bestanden hatte, US-Präsident geworden war. Nach Schätzungen bewegte sich die Anzahl der vietnamesischen Kriegsopfer, aus Nord- wie Südvietnam, gar in einer Größenordnung von weit mehr als einer Million Menschen.
Am Ende kam es dann zwei Jahrzehnte später zu jener Wiedervereinigung, welche die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten in all den Jahren seit 1954 vorerst hatten vereiteln können. Und von diesem Aufschub um zwei Jahrzehnte, so stellten die Zyniker dieser Welt fest, hatten nur zwei gesellschaftliche Gruppen profitiert: die Waffenproduzenten und die Vertragsunternehmer der militärischen Institutionen.
Zum Lohn für ihr Durchhaltevermögen wurden diejenigen Zyniker, die lange genug lebten, 1995 noch Zeuge einer letzten bitteren Tatsache. Denn damals nahm die US-Regierung wieder diplomatische Beziehungen zu dem früheren Feind auf. Mehr noch: Als Rechtfertigung für den massiven Aufbau von US-Streitkräften in Vietnam hatte ein im August 1964 registrierter nächtlicher Angriff eines nordvietnamesischen Kanonenboots auf einen amerikanischen Zerstörer gedient. Anschließend forderte Präsident Lyndon B. Johnson den Kongress auf, eine Resolution zu erlassen, durch die er autorisiert würde, auf die Provokation zu reagieren. Das amerikanische Gesetzgebungsorgan hat seiner Forderung stattgegeben. Denn durch die sogenannte Tongking-Resolution erhielt Johnson eine Generalvollmacht für den Einsatz amerikanischer Truppen in Indochina. Jahrzehnte später stellten Historiker fest, dass der angebliche Angriff auf den amerikanischen Zerstörer tatsächlich niemals stattgefunden hatte. In Wahrheit hatte es sich nur um ein paar Bilder auf einem Radarschirm gehandelt, die man zu einem Zeitpunkt, als Johnson nach Mitteln und Wegen suchte, die öffentliche Meinung im Sinn eines verstärkten amerikanischen Engagements in diesem Krieg zu beeinflussen,
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