John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
dem Fernglas gegriffen. Und tatsächlich, in winzig kleinen Buchstaben war da etwas auf das Bild geschrieben. … Du hockst auf dieser Leiter, kommst dir vor wie’n beknackter Idiot, könntest jeden Augenblick runterfallen, schaust durch das Fernglas – und dann steht da einfach »JA«.
Die ganze sogenannte Avantgarde-Kunst zu der Zeit und alles, was sonst angeblich noch interessant war in der Kunst, war komplett negativ: dieses Zertrümmere-das-Klavier-mit-einem-Hammer, Zerbrich-die-Statue – langweiliger, negativer Scheiß.
Alles war anti-, anti-, anti-. Anti-Kunst, Anti-Establishment. Und genau dieses »JA« hat mich dazu gebracht, in einer Galerie voller Äpfel und Nägel zu bleiben, statt einfach im nächsten Moment die Tür hinter mir zu schließen …
Dann bin ich zu dem Ding da, diesem Stück Holz, rübergegangen, neben dem ein Schild hing:
»Schlagen Sie einen Nagel ein.« Ich hab gefragt:
»Darf ich einen Nagel einschlagen?«
Ono schien das nicht recht zu sein, denn alles sollte für die Ausstellungseröffnung am nächsten Tag unberührt bleiben. John Dunbar, der sich sehr wohl darüber im Klaren war, dass es nicht ratsam war, einem Kunden, der über genügend Geld verfügte, gleich die gesamte Ausstellung aufzukaufen, solch einen Wunsch abzuschlagen, unternahm den Versuch, sie umzustimmen.
Lennon war amüsiert: »Da fand nun also diese kleine Konferenz statt. Und zu guter Letzt meinte sie: ›O. k., für fünf Shilling darfst du einen Nagel in die Wand schlagen.‹ Ich Klugscheißer antworte darauf: ›Nun gut, ich gebe dir fünf imaginäre Shilling und schlag einen imaginären Nagel in die Wand.‹ Und da sind wir einander wirklich
begegnet
. Da haben wir die Augen geschlossen, sie hat’s begriffen, ich hab’s begriffen, das war’s. Der Rest, wie es immer in den Interviews heißt, die wir geben, ist Geschichte.« 150
Ono blieb mit Lennon in Kontakt. Zwei Jahre zuvor hatte sie unter dem Titel
Grapefruit
ein Buch mit Gedichten, mit kurzen, oft nur ein Wort umfassenden Anweisungen (in der Art wie das »Atme« auf dem Kärtchen, das sie Lennon gereicht hatte) und mit Zeichnungen veröffentlicht. Ein Exemplar schickte sie ihm ins Abbey-Road-Studio, wo die Beatles damals ihre Platten aufnahmen. Und als er den Londoner Hauptsitz des Spiritual Regeneration Movement aufsuchte, um in Maharishis Organisation Mitglied zu werden und sich ein Mantra geben zu lassen, kam sie, eigens um ihn kurz wiederzusehen, ebenfalls dorthin. 151
Fasziniert, wie er von ihr war, hat Lennon Onos nächste Ausstellung gesponsert. Unter dem Motto »Ein halber Wind« (Half-A-Wind) fand sie von Mitte Oktober bis Mitte November 1967 in der Londoner Lisson Gallery statt. Den Besuchern wurde hier eine Reihe von Alltagsgegenständen präsentiert: ein Bett, ein Kopfkissen, ein Waschbecken, eine Zahnbürste und dergleichen. Passend zum Motto der Ausstellung war allerdings jedes einzelne Ausstellungsstück halbiert worden – fein säuberlich in der Mitte durchgeschnitten. Lennon schätzte Onos zum Nachdenken animierende Kunst und ihren ausgefallenen Sinn für Humor. Als Mäzen der Ausstellung wollte er ungenannt bleiben. Im Katalog konnte man daher den kryptisch anmutenden Satz lesen, das Zustandekommen der Ausstellung sei »Yoko und mir« zu verdanken. 152
Onos Buch
Grapefruit
lag in Kenwood häufig neben Lennons Bett. Und während jener Monate, die er beim Maharishi in Indien verbrachte, schickte sie ihm regelmäßig Briefe und Postkarten mit geheimnisvoll oder auch poetisch klingenden Sprüchen wie: »Ich bin eine Wolke. Sieh dich am Himmel nach mir um.« 153
Nach und nach hauchte ihr exzentrisches Naturell und ihr vollständig auf die Kunst ausgerichtetes Dasein seiner – nach wie vor vorhandenen – künstlerischen Empfindsamkeit neues Leben ein. Seit den Tagen seines Abschieds von der Liverpooler Kunstakademie war sie unter den Popmusik-Erfolgen, die er mit den Beatles am laufenden Band feierte, freilich weitgehend erstickt worden. Und nach jenen langen Gesprächen, die er gern und häufig mit Stu Sutcliffe geführt hatte, war er keinem anderen Menschen mehr begegnet, dessen Gedanken zur Kunst derart anregend für ihn waren und ihn geistig ähnlich aus der Reserve hätten locken können.
Als Lennon nach Indien abreiste, tat er dies in der Überzeugung, dank der vom Maharishi geleiteten Bewegung habe er zu guter Letzt herausgefunden, wohin sein weiterer Weg ihn führen solle. Der Lebensstil, mit dem er im Ashram vertraut
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