John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
zutiefst verunsicherte, und befähigte ihn in der Folge, ohne alle Umschweife offen und aufrichtig zu sein. Der dritte Schlüssel, der ihm den Zugang zu sich selbst eröffnete, war jenes »verlorene Wochenende«, das mit der vermeintlichen Aussicht auf Freiheit falsche Hoffnungen in ihm geweckt und ihn dann mit der ernüchternden Einsicht konfrontiert hatte, dass er einen hohen Preis dafür zu zahlen habe, falls er weiterhin »John Lennon« bliebe.
Das hat er begriffen. Daraufhin kehrte er dieser Illusion und dem nicht mit sich selbst übereinstimmenden Leben den Rücken. Er hat sich auf die Beziehung zu Yoko Ono – und schließlich auf die zu seinem Sohn – konzentriert. »Kann ich mit einem Kind klarkommen, dann kann ich mit allem klarkommen. Egal, auf welche künstlerischen Errungenschaften ich verweisen kann oder wie viele goldene Schallplatten ich erhalten habe, wenn meiner Beziehung zu den Menschen, die ich angeblich liebe, kein Erfolg vergönnt ist, dann kannst du alles Übrige vergessen.« 233
Nach wie vor verfügte er über jene einzigartigen Qualitäten, die John Lennon zu einer weltweit bekannten Persönlichkeit gemacht hatten. Jetzt war er indes fest entschlossen, sie unter seine Kontrolle zu bringen, nicht umgekehrt. »Sich mit sich selbst zu konfrontieren ist das Allerschwierigste. Es ist leichter, ›Revolution‹ oder ›Alle Macht dem Volk‹ in die Welt hinauszuschreien, als dich selbst zu betrachten und zu versuchen herauszufinden, was wirklich dein Leben ausmacht und was nicht, wo du dir doch eigentlich immer selbst Sand in die Augen streust. Das ist wirklich äußerst schwierig.« 234
Als Lennon nach fünfjähriger Unterbrechung 235 schließlich wieder anfing, Musik zu machen, schrieb er einen Song für und über seinen Sohn Sean: »Beautiful Boy (Darling Boy)«. Inmitten von schlichten, aus dem Zusammenleben mit dem Kind gewonnenen Alltagsbeobachtungen und von beziehungsreichen Anspielungen auf die Vaterliebe kommt in diesem Songtext eine wundervolle Einsicht zutage. In Zengleicher Klarheit bringt ein Lennon’scher Aphorismus vollendet zum Ausdruck, wie groß für uns Menschen die Gefahr ist, von Illusionen fehlgeleitet zu werden: »Das Leben zieht an dir vorüber, während du eifrig andere Pläne schmiedest.« 236
Lennon hat sich also von der eigenen Legende frei gemacht und nun im häuslichen Dasein und in der Möglichkeit, der Vater zu sein, den er nie gehabt hatte, seine Selbstbestätigung gefunden. Früher war er gewohnheitsmäßig bis zum Nachmittag im Bett geblieben. Jetzt stand er früh am Morgen auf, um mit Sean zu frühstücken. Seans Essens- und Schlafenszeiten waren nun der Rhythmus, nach dem sich sein Tagesablauf richtete. Wenn er zwischendurch Zeit dafür hatte, machte er sich einen Kaffee, las in der Zeitung oder in einem Buch. Doch dann begann er schon wieder mit der Vorbereitung der nächsten Mahlzeit für den Kleinen und gab acht, dass mit dessen Essen alles seine Richtigkeit hatte. Denn er legte großen Wert darauf, dass Sean ausgewogen ernährt wurde und keine Süßigkeiten erhielt. Regelmäßig las er dem Jungen Kinderbücher vor, kümmerte sich darum, dass ihm anregende Spielsachen zur Verfügung standen und er nicht zu viel Fernsehen schaute – und wenn er fernsah, waren es vorzugsweise werbefreie Sendungen wie
Sesamstraße
. Die unvermeidlichen kindlichen Wutausbrüche ertrug Lennon mit Fassung und Geduld. Häufig war er zu jener Zeit mit dem Kinderwagen im Central Park unterwegs. Oder man sah ihn, wie er mit Sean in der Stadt spazieren ging.
Die kleinen Freuden des häuslichen Daseins schenkten ihm eine bis dahin nicht gekannte Art von Zufriedenheit. Nachdem er seinen ersten Laib Brot gebacken hatte, war Lennon derart aufgeregt und empfand angesichts des gelungenen Resultats solch großen Bäckerstolz, dass er Polaroid-Fotos davon machte und sie seinem Freund Elliot Mintz per Kurier nach Los Angeles schickte. Das häusliche Abenteuer glich aus Lennons Sicht einem Rückzug aus der Welt und einem Leben im Kloster, die Beherrschung des Brotbackens einer Zen-Erfahrung. 237
Dank eigener Hausmannerfahrungen wusste er nun genau, wie es im Hausfrauenalltag aussieht.
»All den Hausfrauen sage ich: Jetzt verstehe ich, worüber sie dies Geschrei machen. Denn was ich beschreibe ist der Alltag der meisten Frauen. …
Genau das habe ich nämlich fünf Jahre lang gemacht. … Ich habe getan, was eine Million, ja hundert Millionen Menschen am Tag tun, meistens Frauen. Mein
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