John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
›Besser, Sie haben ein wachsames Auge auf mich.‹ Das werde er haben, versprach er mir.
Fünf Minuten später geht er hinunter, um sich aufs Ohr zu legen und sagt: ›Bis nachher.‹«
Heftige Windböen und hohe Wellen schlugen gegen das kleine Boot. Unbeirrt harrte Lennon am Steuerrad aus. Übelkeit, die allen anderen an Bord so sehr zu schaffen machte, verspürte er keine – möglicherweise verdankte er dies seinem einfachen, auf Fisch und Reis basierenden Speiseplan.
»Keiner war noch fähig, sich zu rühren. Die anderen fühlten sich hundeelend. Da stand ich nun also und steuerte das Boot, hielt es auf Kurs, sechs Stunden lang, wurde dabei wiederholt unter den Wassermassen begraben. Sechs ganze Stunden lang schlug mir das Wasser ins Gesicht. Aber ich rückte nicht von der Stelle. Einen Sinneswandel kann man sich da nicht erlauben: Ganz ähnlich wie bei einem Bühnenauftritt – steht man erst mal dort, gibt’s kein Zurück mehr. Manch eine Welle hat mich in die Knie gezwungen. Ich hab mich einfach mit den Händen am Steuerrad festgeklammert, … und ich hatte eine fantastische Zeit wie kaum jemals sonst im Leben! Ich hab Seemannslieder hinaus in den Sturm geschmettert und meine Stimme zu den Göttern hinauf erschallen lassen! …
Als ich in Great Bermuda ankam …, war ich nach dieser Erfahrung auf See unwahrscheinlich zentriert – auf den Kosmos eingestimmt. Und all diese Songs kamen mir in den Sinn.« 245
Lennons schöpferische Kraft konnte sich nun ungehindert entfalten. Seine Auszeit als Hausmann nahm ein Ende. Während der nächsten paar Wochen schrieb er all die Songs (oder stellte sie teilweise aus früher vorbereiteten und jetzt überarbeiteten Fragmenten zusammen), die auf
Double Fantasy
, dem letzten zusammen mit Yoko Ono herausgebrachten Album, sowie auf dem postum veröffentlichten
Milk and Honey
erscheinen würden. 246
Einer dieser Songs brachte seine persönlichen Empfindungen über den fünfjährigen Rückzug aus dem öffentlichen Raum zum Ausdruck. Der Song richtete sich insbesondere an diejenigen Leute, die es missbilligten, dass er so lange von der Bildfläche verschwunden war. Besonders wer sich hochgradig mit Lennon und Ono identifiziert und versucht hatte, auf dem Umweg über sie als Identifikationsfigur/en sich selbst auszuleben, empfand diese zurückgezogene Lebensführung als ausgesprochen irritierend: Menschen, die von den beiden mit der größten Selbstverständlichkeit erwarteten, ihr Engagement für bestimmte Anliegen habe von Dauer zu sein, und die ferner, ebenso selbstverständlich, über dieses Engagement und alle möglichen anderen Dinge in den Nachrichten auf dem Laufenden gehalten werden wollten; Menschen, die offenbar das Gefühl hatten, am besten – jedenfalls besser als Lennon – darüber Bescheid zu wissen, was in seinem Interesse liege, und dementsprechend nicht zögerten, ihm Ratschläge zu erteilen. Der alte John Lennon hätte auf ein derartiges Ansinnen gewiss sarkastisch und verletzend reagiert. Nun jedoch, da er reifer geworden war, legte er eine geradezu philosophisch anmutende Gelassenheit an den Tag und kam darauf heiter und mit der Distanziertheit desjenigen zu sprechen, der von dem Karussell abgesprungen ist.
In »Watching the Wheels« erzählt er, dass der Buddha nach Manhattan gekommen ist. In der Lotosposition setzt er sich auf den Bürgersteig am Central Park. Manche Passanten meinen, dieser Mensch sei verrückt, andere bezeichnen ihn als Faulpelz. Einige verpassen ihm einen Denkzettel, wieder andere wollen ihm zur Erleuchtung verhelfen. In einem aber stimmen alle überein: Glücklich kann er jedenfalls nicht sein, schließlich ist er ja aus ihrem Spiel ausgestiegen!
In Wahrheit sind jedoch
sie –
als Opfer der eigenen Illusion – diejenigen, die von besinnungsloser Hast getrieben werden, während ihr Leben an ihnen vorüberzieht. Er hingegen ist zufrieden, wenn er dort einfach dasitzen und alles betrachten kann.
Als er im Interview auf den Song angesprochen wurde, antwortete Lennon in einer Diktion, die das Bild eines coolen Liverpooler Siddharta heraufbeschwört:
»Watching the wheels? … Überall drehen sich Räder. Hauptsächlich sind das meine Räder. Aber, weißt du, wenn man sich selbst beobachtet, ist es so, als ob man jemand anderen beobachtet. Und ich kann mich auch in meinem Kind betrachten.
Eigentlich ist, wenn man der Bedeutung des Wortes auf den Grund geht, überhaupt nichts wirklich. Diese ›Wirklichkeit‹ ist, wie die
Weitere Kostenlose Bücher