John Lennon - across the universe - die spirituelle Biografie
Hindus oder die Buddhisten sagen, eine Illusion, denn letztlich besteht alle Materie aus durch den Raum schwirrenden Atomen, oder? Es ist wie in
Rashomon
. Alle sehen wir es, leben jedoch in der Illusion, auf die wir uns verständigt haben.« 247
Seitdem er zwanzig war, lief Lennons Leben in einem atemberaubenden Tempo ab. Er war ein begabter Mensch, der Außerordentliches zustande gebracht hatte. Schließlich gelangte er zu der Einsicht, dass er ein Karussell bestiegen hatte, das um Illusionen kreist, und dass er mit jedem Tag, an dem er vorgab, »John Lennon« zu sein, einen Teil von sich selbst opferte und vergeudete. Im Lauf der Zeit begriff er, dass er damit hoffnungslos verloren war. Also blieb ihm eigentlich nur eines: alles loszulassen.
Der Unabhängigkeit, seinem obersten Prinzip, hielt er die Treue und stieg einfach aus dem Karussell aus. Mochte der Rest der Welt davon halten, was er wollte.
Die letzten fünf Jahre lebte er, innerlich befreit, das Leben eines gereiften Mannes, der – wenn er auch seine Dämonen und Schwächen nicht völlig überwunden hatte – aus seinen familiären Beziehungen Kraft schöpfte. Keineswegs hatte er alle Bestrebungen, Hoffnungen und Erwartungen komplett hinter sich gelassen. Doch er wusste, wie wichtig es ist, innezuhalten und genüsslich die einfachen Freuden des Lebens auszukosten.
Dann ist er gestorben, abrupt, verfrüht. Jedoch nicht, bevor er sein Kunstwerk, das zu erschaffen mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte, fertigstellen konnte. Es war ein vollendetes Selbstporträt. Was hätte angemessener sein können!?
Hörenswerte Songs zu diesem Kapitel:
Give Peace a Chance (Single, 1969,
Lennon Legend
)
Beautiful Boy (Darling Boy) (
Double Fantasy
, 1980)
Watching the Wheels (
Double Fantasy
, 1980)
12
Superstars
1970 erklärte John Lennon in einem Interview: »Das war mein
Problem
, dass ich ständig versuchte,
Shakespeare
zu sein oder sonst was. Das ist es, was ich mache. … Ich konkurriere nicht mit Elvis. … Ich beschäftige mich mit all diesen Dingen – mit
Konzepten
und
Philosophie
und
Lebensweisen
und
ganzen geschichtlichen Bewegungen
. … Mich interessiert, … mich so auszudrücken, wie sie [Shakespeare, van Gogh etc.] es getan haben – in einer Weise, die den Menschen in jedem Land, in jeder Sprache und zu jeder Zeit der Geschichte etwas bedeutet.« 248
Bei anderer Gelegenheit hat er das ein wenig kürzer und klarer formuliert: »In einer anderen Zeit wäre ich als Philosoph bezeichnet worden.« 249 Lennon hat zwar keinen großen philosophischen Entwurf in der Art eines Aristoteles, eines Kant, Hegel, Wittgenstein oder Sartre hinterlassen – allerdings ein umfangreiches Werk, ferner all die Interviews, die im Verlauf von zwei Jahrzehnten entstanden sind. Das verschafft uns die Möglichkeit, seine Philosophie wenigstens skizzenhaft zu umreißen.
In erster Linie stand Lennon für eine auf den Menschen ausgerichtete anthropozentrische Lebens-und Weltanschauung. »Gott« bezeichnet für ihn keine individualisierte Wesenheit, die es zu verehren gilt, sondern »eine Vorstellung, an der wir unseren Schmerz ermessen«. Er/Sie/Es ist kein allmächtiges, das Gute in der Welt verkörperndes Wesen, sondern eine nahezu ungreifbare Grundenergie, ein »Kraftspender«, eine neutrale, für positive wie für negative Zwecke einsetzbare Energiequelle.
Lennon hielt sich nicht für einen religiösen Menschen, es sei denn, in einem humanistischen Verständnis, das sehr wenige Gläubige zufriedenstellen würde. Geradeheraus gefragt, ob er sich als religiös bezeichnen würde, antwortete er zunächst: »Eigentlich nicht.« Als der Interviewer daraufhin Religiosität weitergefasst hat – im Sinn von Anteilnahme, im Sinn des Betroffen- und Ergriffenseins von dem, »was uns unbedingt angeht«, wie es der protestantische Theologe Paul Tillich ausgedrückt hat –, fiel Lennons Antwort anders aus: »Nun, dann bin ich religiös. Ich nehme Anteil, okay, ich nehme Anteil an den Menschen.« 250
Die Menschheit kann eine höhere Entwicklungsstufe erreichen. Das war Lennons Überzeugung. Wir alle, ganz normale Männer und Frauen, können daran mitwirken, unsere Kultur entsprechend umzugestalten. Dazu müssten wir lediglich erkennen, dass dies sehr wohl in unserer Macht steht. Lennon hat beträchtliche Bemühungen unternommen, seinen Mitmenschen die Tatsache bewusst zu machen, dass sie über diese Fähigkeit verfügen.
In dem Bestreben, seine ideale Gesellschaft
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