John Sincalir - 0971 - Ein Galgen für Morgana (3 of 3)
Cursano war voll und ganz auf die Frau vor sich fixiert. Er spürte das Gewicht des Beil in seiner rechten Hand. Bei jedem Schritt schwang es mit, im Rhythmus seiner Bewegungen.
Die Distanz zwischen ihnen schmolz. Während Morgana noch mit ihrem Entsetzen und auch mit der Überraschung zu kämpfen hatte, fühlte sich der andere wie abgehoben. Er würde gnadenlos vernichten.
Und er schlug zu.
Morgana hatte damit gerechnet. Sie hörte das Pfeifen des Beils, als Cursano ausholte. Mit diesem Schlag hatte er sie »überraschen« wollen. Es war ihm nicht ganz gelungen.
Sie sprang heftig zurück, die Klinge wischte deshalb an ihr vorbei.
Morgana befand sich noch in der Bewegung, da holte Cursano erneut aus.
Diesmal noch kraftvoller.
Das Beil raste nach unten.
Es war schnell, schien sich selbständig zu machen, und Morgana verlor plötzlich den Überblick. In ihrer Panik riß sie die Arme hoch. Sie konnte auch nicht mehr darauf achten, wohin sie trat, und so übersah sie das Brett, das jemand auf der Erde hatte liegenlassen. Es war ziemlich schwer. Mit der Hacke und auch mit dem Fuß stieß sie dagegen, was nicht so schlimm gewesen wäre, aber das verdammte Brett lag etwas höher, und so verhakte sich ihr Fuß unter dem Holz. Sie wollte ihn wieder hervorziehen, handelte dabei zu hastig und geriet aus dem Gleichgewicht.
Es war möglicherweise ihr Glück, daß sie zur Seite fiel, so erwischte sie der Hieb nicht.
Wieder hörte sie dieses »Wusch«, da zerrte sie mit einem letzten Ruck den Fuß unter dem Brett hervor und sprang zurück.
Vorbei!
Cursano war ihr nachgesprungen. Er wollte es jetzt richtig machen. Wie Stahlschnüre legten sich seine Wurzelfinger um Morganas Hals. Er drückte sie zurück, und sie konnte sich nicht wehren.
Alles war plötzlich anders geworden. Zwar schlug sie noch zu, aber das waren für ihn nicht mehr als Mückenstiche.
Dafür prallte Morgana mit dem Rücken gegen die Wand einer Hütte.
Für ihn gerade richtig.
Er preßte sie dagegen. Hielt sie weiterhin mit der linken Hand fest, um sich Morgana zurechtzurücken.
Mit dem anderen Arm holte er aus. Er schwang ihn weit nach hinten. Diesmal würde das Beil das Ziel nicht verfehlen …
»Nein, halt!«
Zwei Worte, ein Schrei. Er erreichte Cursanos Ohren und irritierte ihn, so daß er tatsächlich in der Bewegung innehielt. Der Arm war noch nach oben gerichtet gewesen, so hatte er stoppen können.
Der Rufer war ich gewesen, denn ich war auch als erster aus der Hütte getreten, in der Suko den kopflosen Vampir gefunden hatte. Mit einem Blick hatte ich die Lage übersehen und natürlich auch die Frau entdeckt, die sich in höchster Gefahr befand. Sie trug ziemlich abgerissene Kleidung. Der Kopf lag so, daß ich ihr Gesicht nicht sah. Zudem fiel das lange Haar darüber hinweg.
»Laß es, Cursano!«
Er schüttelte den Kopf. Meinen Befehl konnte er nicht nachvollziehen. Und nun war mir doch nicht klar, ob er damit hatte töten oder sich nur verteidigen wollen. Das mußte ich noch herausfinden.
Suko hatte die Hütte mittlerweile verlassen. Was da geschehen war, lag auf der Hand. Nur wußten wir nicht, warum das alles passiert war.
Mir fiel sofort auf, daß im Mantelstoff an Cursanos Rücken ein Spalt klaffte.
Mandragoros Geschöpf hielt noch immer den Arm mit dem Beil hoch.
»Runter damit! Laß sie fallen! Es ist besser so. Du wirst es nicht schaffen. Es hat keinen Sinn.«
Er schüttelte den Kopf, öffnete den Mund, um mir eine Erklärung zu geben, aber diese kurze Zeitspanne, in der wir beide abgelenkt waren, nutzte die Frau.
Er hatte ihre Kehle tatsächlich losgelassen. Sie war frei und wischte plötzlich zur Seite.
Auf einmal rannte sie los. So überraschend schnell, daß ich den Eindruck hatte, sie würde über den Boden hinwegfliegen. Sie rannte dabei in eine bestimmte Richtung, nämlich auf den See zu, dessen Uferregion von einem dichten Schilfgürtel umgeben war. Er sah aus wie ein Bart, der den gesamten See einrahmte.
Cursano reagierte zu spät. Er hatte sie nicht mehr halten können, aber er wollte ihr das Beil hinterherwerfen. Richtig und zielsicher geschleudert, konnte es die Frau unter Umständen töten, und das mußte ich auf jeden Fall verhindern.
Ich sprang ihn an. Er fluchte, als ich seinen rechten Arm nach unten riß, bevor das Beil noch seine Hand hatte verlassen können. Auch Suko war bei ihm. Wir waren ein eingespieltes Team. Er hielt die Person fest, während ich mich an die Verfolgung machte. Okay, sie hatte
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