John Sincalir - 0972 - Die Prinzessin von Atlantis
kleine Magier hob die Schultern. Er ging ein paar Schritte zur Seite, blickte zum dunkelblauen Himmel und dann auf die vier Steinsäulen. »Er wird zurückkehren, Kara, und er wird uns erklären, wo er gewesen ist und was er dort gesucht hat.«
»Feinde!«
»Das weiß ich nicht.«
»Trotzdem werde ich noch hier warten. So lange, bis die erste Stunde des Tages vorbei ist. Es kann sein, daß sich in dieser Zeit etwas getan hat, und ich möchte ihn begrüßen können, wenn er sich auf den Rückweg gemacht hat.«
Myxin sagte nichts. Im Gegensatz zu Kara waren seine Sorgen nicht zu groß. Allerdings wunderte ihn das Verhalten ihres gemeinsamen Freundes schon. Festhalten konnten sie den Eisernen nicht.
Jeder von ihnen war ein Individuum und hatte ein Recht auf sein Privatleben.
»Myxin!« Ihn erreichte Karas zischelnd gesprochener Ruf. »Es tut sich etwas.«
Der Magier hatte sofort gewußt, was Kara damit meinte, deshalb drehte er sich den Steinen zu. Sie waren dabei, ihre ursprüngliche dunkle Farbe zu verlieren. Allmählich schälten sie sich aus dem mächtigen Hintergrund hervor, denn in ihrem Innern leuchtete plötzlich die dunkelrote Farbe auf.
Sie war kaum zu beschreiben, aber der Vergleich mit einem dünnen, innen hochsteigenden Ölfilm traf schon zu. Vier rot glühende Säulen standen plötzlich dort, und dann waren auch die Linien im Gras zu sehen.
Vier, die sich ebenfalls als rote Striche abhoben und sich an einem gemeinsamen Mittelpunkt kreuzten.
Kara und Myxin konzentrierten ihre Blicke genau auf diesen Punkt. Beide wußten, daß er der Start- und Landeplatz für die Zeitreisen war.
Dort verdichtete sich das Licht, und aus ihm hervor schälte sich eine Gestalt.
Ein Mensch!
Ein Engel?
Irgendwo beides, denn ihr Freund, der Eiserne Engel, war wieder zu ihnen zurückgekehrt.
»Jetzt bin ich gespannt«, flüsterte Kara.
Myxin nickte nur.
*
Ein letztes Zittern noch. Außen als auch innen. Dann war der Eiserne Engel bereit, das Refugium zwischen den Steinen zu verlassen, und er ging dabei mit sehr langsamen Schritten. Wie jemand, der noch stark in der Erinnerung verhaftet ist und sie nicht so einfach abschütteln kann.
Er war schon eine imposante Figur. Sehr groß, sehr wuchtig, mit menschlichen Übermaßen, und auf seinem Rücken wuchsen tatsächlich Flügel. Nur waren es nicht die Flügel eines normalen Engels, sie bestanden aus einem schweren Material, wie auch sein gesamter Körper. Er wirkte wie aus Gußeisen geschaffen. Aus diesem Grund hieß die Gestalt auch der Eiserne Engel.
Er ging weiter. Seine Schritte waren zielstrebig, und das halblang geschnittene Haar, das an das des Helden Prinz Eisenherz erinnerte, bewegte sich kaum. Auch die Flügel auf dem Rücken hatte er zusammengelegt, und die Arme pendelten im Rhythmus der Schritte.
Er ging so, daß er genau zwischen Kara und Myxin stehenbleiben konnte. Natürlich warteten beide mit Spannung auf eine Erklärung ihres Freundes, doch der ließ sich Zeit. Er machte keinen fröhlichen Eindruck. Noch jetzt wirkte er traurig und zugleich gedankenverloren.
Kara hielt das Schweigen nicht mehr länger aus und fragte deshalb: »Willst du sprechen?«
»Ja, das möchte ich.«
»Gut, wir hören.«
Der Eiserne ließ sich noch einen Moment Zeit. »Ich habe sie tatsächlich gesehen«, flüsterte er.
»Wen?«
»Sie, die Prinzessin.«
Kara schüttelte den Kopf. »Bitte? Wir begreifen das beide nicht.« Sie sprach gleich für Myxin mit.
»Es ist Sedonia, die Geflügelte. Eine Prinzessin, die an meiner Seite kämpfte, bis der Schwarze Tod sie blenden ließ. Danach verloren wir uns aus den Augen, und ich habe gedacht, daß sie nicht mehr wäre. Aber es gibt sie noch.«
»Du hast sie gesehen?«
Der Eiserne nickte Kara zu. »Ja, ich habe sie gesehen, aber ich kam nicht an sie heran.«
»Wo ist das denn gewesen?« fragte Myxin. »Hast du die Reise nach Atlantis gemacht?«
»Ich weiß nicht genau, ob es Atlantis gewesen ist, meine Freunde. Doch sie hatte sich nicht verändert. Sie sah aus wie immer. Sie hat sich nicht verändert.«
»Und sie ist geflügelt?«
»Stimmt, Myxin, sie ist wunderschön.«
Er hakte noch einmal nach. »Hat sie Schwingen wie du?«
»Nein!« sagte der Eiserne, »so sieht sie nicht aus.«
»Warum heißt sie dann die Geflügelte?«
»Weil Sedonia die Vögel liebte. Sie hat sich oft bei ihnen aufgehalten. Die Vögel haben sie akzeptiert und mit in die Lüfte genommen. Als blinde Person war sie ihnen sehr zugetan, das
Weitere Kostenlose Bücher