John Sinclair - 0977 - Liliths grausame Falle (2 of 2)
getan haben.«
»Was meinen Sie damit?« fragte ich.
»Wir werden unser Möglichstes tun.«
»Bekommen Sie die aufgebrochene Wunde wieder in den Griff? Können Sie die Frau heilen?«
»Das hoffe ich, Mr. Sinclair. Ansonsten werden Sie die Verantwortung tragen müssen. Ihr Freund ebenfalls.«
Ich rang mir ein müdes Lächeln ab. »Aus Ihrer Sicht mögen Sie ja recht haben. Es sah so aus, daß wir die Humanität mit Füßen traten, aber glauben Sie mir bitte, es hat keine andere Möglichkeit gegeben. Wir mußten uns so verhalten, denn diese Person, die als Patientin auf Ihrer Station liegt, hat ein Vorleben, das man auf keinen Fall unterschätzen sollte.«
Es war dem Arzt anzusehen, daß er nicht Bescheid wußte. Er überlegte und meinte, daß er etwas von Hexen gehört hätte.
»Da haben Sie recht«, sagte Suko.
Der Doc trat etwas zurück. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, meine Herren, aber wenn Sie an Hexen glauben, ist das einzig und allein Ihre Sache. Mich können Sie dafür nicht begeistern.«
»Das wollen wir auch nicht. Sie werden eine Erklärung bekommen. Wir setzen uns sicherlich noch einmal mit Ihnen in Verbindung, aber jetzt werden wir unsere Arbeit tun.«
»Gut, Inspektor.« Er nickte, dann drehte er sich um und schritt zurück zu seiner Patientin.
Wir nahmen einen anderen Weg. Erst als wir das Krankenhaus verlassen hatten und neben dem Rover standen, sprachen wir wieder miteinander. »Ashdown Forest, John, da muß es doch jemanden geben, der uns darüber informieren kann.«
»Sicher.«
»Verwaltung. Ein Förster vielleicht.«
»Steig ein«, sagte ich nur.
Sekunden später waren wir schon wieder unterwegs. Viel hatten wir nicht erreicht, denn Jane war noch immer nicht gefunden worden, aber dieser Forest war zumindest ein Hinweis …
*
Charlotte hatte nicht gut geschlafen, und beim Erwachen spürte sie einen Blutgeschmack im Mund.
Auf die Zunge hatte sie sich nicht gebissen, das mußte einen anderen Grund haben.
Es war längst heller Tag. Das Licht hatte auch seinen Weg durch die Fenster des Hauses gefunden und strich das Innere mit seiner Helligkeit an. Es vertrieb die Düsternis der Nacht, und auch die bedrückende Atmosphäre war nicht mehr zu spüren.
Charlotte wusch sich in dem kleinen Nebenraum. Das alte, lehmverschmierte, helle Kleid hatte sie in die Truhe geworfen, wo die übrige Wäsche lag. Nach dem Abtrocknen entschied sie sich für eine neue Kleidung. Sie streifte einen »Slip« über. Er bestand aus zwei Bändern und einem winzigen Stoffdreieck. Wohl so etwas wie ihre Berufskleidung, denn auch in ihrer Wohnung war sie schon so bekleidet herumgelaufen.
Als Oberteil holte sie eine Bluse aus dem Schrank, die bis zu den Schenkeln reichte. Die nackten Füße verschwanden in flachen Schuhen, und auf eine weitere Kleidung verzichtete sie.
Es war schon beinahe Mittag, als sich Charlotte einen Tee aus den Kräutern braute, die sie selbst gesammelt hatte. Sie trank zwei Tassen, aß etwas Gebäck, räumte danach den Tisch leer und verließ ihr Haus.
Das Gefühl der Spannung hatte sie nicht verlassen. Es war in der Umgebung des Hauses alles leer.
Es gab keinen Hinweis auf einen fremden, nächtlichen Besucher – ja, es war wie immer. Trotzdem fühlte sich Charlotte nicht so gut wie immer.
In der letzten Nacht hatte sie schlimme Dinge geträumt. Immer wieder war ihre Kindheit als schauriges Gemälde der Erinnerung hochgekommen. Sie hatte von schrecklichen Einzelheiten geträumt, aber diese Bilder hatten nichts mit den Dingen zu tun, vor denen sie sich fürchtete.
Das waren neue Feinde. Menschen, die sich auf ihre Spur gesetzt hätten.
Es war niemand da. Als einzige Lebewesen sirrten die Mücken durch die Luft, zu Wolken vereinigt, um gemeinsam die Tänze in der warmen Luft durchzuführen.
Es war in der Tat sehr warm geworden. Kein Vergleich mehr zum gestrigen Tag. Die Sonne schien nicht nur hieß, es war auch schwül, und der Wind schien sich verabschiedet zu haben.
Die Natur roch.
Aber nicht nach Blut, obwohl sie diesen Geruch nach wie vor nicht vergessen konnte. Sie nahm ihn wahr, stärker als nach dem Erwachen. Der Geruch irritierte Charlotte schon. Sie schaute sich deshalb um, weil sie nach dem Grund forschen wollte, nur lag in ihrer Sichtweite nichts, was diesen Geruch gerechtfertigt hätte.
Und doch schaffte sie es, die Richtung zu bestimmen. Der Geruch wehte gegen sie. Und wenn sie nach vorn schaute, dann fiel ihr Blick automatisch auf den alten Brunnen, auf
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