John Sinclair - 0978 - So jagten wir Shimada
richtig klar, daß wir Shimada auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Er ließ uns noch schweben, aber unter uns wartete er.
Denn wie ein Teufel tanzte er durch die Flammenlanzen. Eine schattige, wieder tiefblaue Gestalt, die den fast völlig verhüllten Kopf in den Nacken gelegt hatte, um in die Höhe zu schauen. Seine Kette hielt er nicht mehr fest, dafür hatte er sein mörderisches Samurai-Schwert gezogen, dessen Klinge nach oben zeigte, wobei die Spitze aussah, als würde sie durch die Flammen wandern.
Shimada war der Triumphator. Er regierte die Festung. Es lag in seiner Hand, wie lange wir noch am Leben blieben. Er stand in seinem Feuer und holte sich das Opfer.
Der tote Gazza kippte in die Tiefe.
Er fiel wie eine Puppe. Die Arme und Beine drehten sich vom Körper weg, als sollten sie sich auflösen, aber sie blieben mit ihm verbunden. Die Flammen warteten auf ihn.
Zuerst sah es so aus, als wollten sie ihn aufspießen. Er glitt auch hinein, aber er wurde nicht aufgespießt, sondern auf eine andere Art und Weise vernichtet.
Das kalte Feuer ließ ihn zusammenschmelzen. Der Körper verlor seine Umrisse, als er verdampfte und schließlich nicht mehr war als ein kleiner Klumpen. Selbst das Metall der Waffe hatte sich auf diese Art und Weise zusammengezogen, war sogar flüssig geworden und ins Nirgendwo getropft.
Aus …
Nur nicht für uns. Wir lebten. Wir mußten etwas tun. Das waren wir gewohnt, aber hier hatten sich die Verhältnisse einfach auf den Kopf gestellt.
Shimada hatte die Regeln der Physik einfach aufgehoben. Hier regierte er. Die Festung war sein Werk und an keine Dimensionsgrenzen gebunden.
Er stand unter uns. Er schaute hoch. Seine Augen leuchteten in einem überirdischen Blau. Dieser Blick bannte nicht nur Menschen, auch Tiere. Er war da schon der Herr über Leben und Tod.
Wir alle spürten ihn, aber eine Person war von diesem Blick besonders stark betroffen. Eva Karman wußte nicht mehr, wie sie sich verhalten und was sie noch tun sollte. Wir hörten ihre Stimme, die einen so verzweifelten Klang bekommen hatte. »Bitte – bitte, helft mir! Er kommt. Ich – ich spüre ihn. Er ist bei mir. Ich kann ihm nicht entrinnen. Er will mich in sein Feuer reißen.«
Eva schrie auf, als stünde sie unter starken Schmerzen. Ihr Gesicht zeigte nur die Angst. Dort drückte sich das ›Tier‹ durch, der reine Wille zum Überleben, trotz dieser immensen Furcht. Sie wich vor Suko und mir zurück. Mein Freund wollte sie zu sich holen und anfassen. Er berührte sie kaum, als er einen harten Schlag bekam, ähnlich einem Stromstoß, der ihn zurückweichen ließ.
Eva Karman war nicht mehr sie selbst. Sie taumelte von uns weg. Ihre Bewegungen hatten die Gleichmäßigkeit verloren. Mit schaukelnden Armen und zuckenden Beinen tanzte sie über die Spitzen der kalten, blauen Flammen hinweg, fiel dann nach vorn und raste plötzlich in die Tiefe.
Ich hatte meine Beretta gezogen. Durch meinen Körper tobte die rasende Wut. Ich feuerte auf Shimada, obwohl ich wußte, daß es keinen Sinn hatte. Dieser Dämon war mit Silberkugeln nicht zu vernichten. Er kümmerte sich nicht darum, sondern streckte seine Arme aus und fing die fallende Frau auf.
Er stand in seinem Feuer. Eva ebenfalls. Und wir wußten, daß sie zu seiner Beute geworden war.
Im selben Augenblick waren die Flammen verschwunden. Unter unseren Füßen befand sich wieder der feste Boden.
Aber durchatmen konnten wir nicht. Noch immer waren wir Gefangene der Festung …
*
Keiner von uns wußte, wieviel Zeit vergangen war. Uns stand auch nicht der Sinn nach langen Gesprächen, wir mußten uns nur eingestehen, daß wir verloren hatten.
Der Samurai des Satans regierte hier und hatte uns gezeigt, wie klein und nichtig wir letztendlich waren.
»Er holt sich seine Feinde«, flüsterte ich schließlich, weil ich es nicht mehr aushielt. »Er holt sie sich der Reihe nach. Einen nach dem anderen. – Du weiß, was mit uns geschieht, Suko?«
Mein Freund schwieg. Er überlegte. Ich kannte ihn lange genug. Dann sagte er: »Sie ist nicht verbrannt, John.«
»Stimmt. Aber was nutzt uns das?«
»Moment. Er hat etwas mit ihr vor. Muß ich daran erinnern, daß noch jemand auf der Insel weilt?«
»Du meinst Yakup?«
»Klar, er. Wer sonst? Shimada und Yakup hassen sich. Sie sind Todfeinde. Sie müssen es ausfechten, denn es kann nur einen geben, wie es so schön heißt. Und ich meine, daß sich Shimada einen Trumpf oder eine Geisel geholt hat. Er weiß
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