John Sinclair - 0978 - So jagten wir Shimada
dieser eine Weg war von uns zu gehen.
Suko tippte mir einmal auf die Schulter. Ich verstand das Zeichen und blieb stehen.
»Dreh dich mal um, John!«
Grundlos sagte er das nicht, und so machte ich die Kehrtwendung. Mein Freund rückte auf der Stufe stehend etwas zur Seite, damit ich an ihm vorbeischauen konnte.
Das Herz pumpte hoch!
Was ich sah, war kaum zu fassen. Jede Stufe, die wir hinter uns gelassen hatten, war verschwunden.
Nach der Stufe, auf der wir standen, gab es nur das absolute Nichts.
Suko hatte es bereits gemerkt gehabt. Ich war überrascht worden, und mein Freund hielt mich sicherheitshalber fest. »Du hast dich nicht vertan, John, die Stufen sind tatsächlich verschwunden. Sie lösen sich auf, wenn wir sie hinter uns gelassen haben. Ich will gar nicht wissen, was sich unter uns befindet, aber wir müssen weiter. Eine andere Chance gibt es für uns nicht.«
»Dabei gehe ich so gern rückwärts«, murmelte ich. Der Galgenhumor war geblieben.
»Ja, und damit in die Hölle.«
»Und was liegt vorn?«
»Da wartet ER!«
Ich gab keinen Kommentar ab und bewegte mich weiter. Die Dunkelheit war nach wie vor kalt und dicht. Sie klebte auf meinem Gesicht und schien sich zudem als würgende Hände um meinen Hals gelegt zu haben.
Obwohl die Steine sehr glatt waren und wir auch normal auftraten, waren wir kaum zuhören. Sie gingen einfach unter, sie wurden verschluckt, bevor sich die Stufen auflösten.
Wo endete die Treppe? Wo wartete Shimada auf uns?
Ich sah ihn nicht. Die Dunkelheit war zu dicht, aber schon nach vier weiteren Stufen änderte sich die Umgebung. Zu beiden Seiten bewegten sich die Schatten von uns weg, auf einmal sah ich die letzte Stufe vor mir und danach die Stelle, die groß genug war, um fünf oder mehr Personen Platz zu bieten.
Vor uns lag eine Plattform aus Stein.
Auch sie war aus den Schatten hervorgewachsen. Sie stand in der Dunkelheit, ohne sich zu bewegen, und ich war der erste, der seinen Fuß darauf setzte.
Der Widerstand war da.
Sehr gut.
Ich zog den anderen Fuß nach, ging ein kleines Stück vor um Suko Platz zu schaffen.
Auch er betrat die Plattform.
Da hatte ich mich schon gedreht. Hinter Suko verschwand auch die letzte Stufe. Sie löste sich einfach auf, als wäre jemand dabei, sie mit einem gewaltigen Radiergummi Stück für Stück verschwinden zu lassen oder sie einfach in die Tiefe dieser unheimlichen Festung zu stürzen.
Es gab nichts außer dieser Plattform, die von Suko und mir besetzt worden war.
»Es ist das Ziel, John«, sagte Suko. »Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
»So einfach?«
»Wie meinst du das?«
»Ohne daß uns jemand angegriffen hat. Keine Attacke mit dem Schwert oder durch irgendwelche Wurf Sterne. Keine Monster, keine Kreaturen aus dem Nichts. Ich komme mit diesen neuen Dingen nicht zurecht. Das ist nicht Shimadas Art.«
»Daran werden wir uns gewöhnen müssen.«
»Solange noch Zeit ist, wie?«
»Das auch.«
Es gab keinen Sinn, wenn wir jetzt versuchten, die Maße der Plattform auszuloten. Sie war unser Ziel. Wir waren auf eine ungewöhnliche Art und Weise hergeführt worden, und es würde weitergehen, davon gingen wir außerdem aus.
Nur wollte ich nicht daran denken, daß wir im Nichts schwebten. Wir standen wie auf einer Eisscholle, die jeden Augenblick schmelzen konnte. Dann rutschten wir in die Tiefe. Wir würden hinein in das absolute Nichts fallen. In einem Gebiet landen, was den Namen Hölle oder Verdammnis verdiente, aber nicht so, wie wir es uns vielleicht vorstellten. Hier regierte Shimada und mit ihm natürlich seine Festung, die einfach zu ihm gehörte.
Es begann die Zeit des Wartens.
Von einem Gefühl für Zeit konnte in dieser Umgebung nicht mehr gesprochen werden. Wir standen im Nichts. Da gab es keine Sekunden, Minuten oder Stunden. Hier war alles anders. Shimada war der Herr. Er triumphierte. Er hatte sich seine Welt erschaffen, mit der er auch durch die Zeiten oder Dimensionen reisen konnte, wie wir erlebt hatten. Ob das geschehen war, wußten wir auch nicht.
Meinem Gefühl nach war dieses Phänomen allerdings nicht eingetreten.
Und so warteten wir weiter – und stellten fest, daß sich die Umgebung auch weiterhin veränderte.
Bisher waren wir von den tiefblauen Schatten eingeschlossen gewesen. Nun begannen sie sich zu lichten. Noch waren sie nicht durchlässig, aber die absolute Dichte verschwand. Es gab Bewegungen innerhalb dieser Blöcke. Sie wurden aufgerissen und entzerrt. Erstes Licht –
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