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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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ihren Arbeitsplatz nicht kannte, konnte er ihn sich vorstellen. Gewiss war sie bestrebt, ihren Schreibtisch in Ordnung zu halten, aber dennoch würden sich auf ihm nicht geheime Berichten, Pläne und Protokolle
stapeln. In ihrem Safe würde sie Fotokopien von geheimen Dokumenten aufbewahren, denn die Originale würde man ihr nicht anvertrauen. Darüber hinaus hatte sie sicher Fotos von ihren Kindern im Büro, und vielleicht sogar einige Zeichnungen, die sie für sie angefertigt hatten. Zumindest hoffte er das.
    Soweit er wusste, war sie nicht mehr verheiratet. Wenn sie einen Partner oder Geliebten hatte, könnte sie auch von ihm ein Foto aufstellen, aber bestimmt sehr diskret. Da war Wells sicher. Sie gehörte nicht zu jenen, die ihr Leben mit ins Büro nahmen. Nahm sie vielleicht ihr Büro mit nach Hause? Fast jeder in der CIA war verheiratet. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie eine jener erbärmlichen Büroaffären hatte, über die sämtliche Sekretärinnen Bescheid wussten, noch ehe sie begonnen hatten, und denen die Chefs innerhalb einer Woche auf die Schliche kamen. Eine Affäre von jener Art, bei der der Ehemann unausweichlich wieder zu Heim, Frau und Kindern zurückkehrte. Exley war zu klug für so etwas. Sie musste zu klug dafür sein. Andererseits wusste Wells, dass Einsamkeit in großen Dosen einen Menschen schließlich so verändern konnte, dass er sich selbst nicht mehr wiedererkannte.
    Hatte sie einen Geliebten oder einen Partner? So, wie sie sich ihm im Jeep geöffnet hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie eine ernste Beziehung mit einem anderen Mann hatte. Zumindest lebte niemand mit ihr zusammen. Als er sie vor einem Monat in der Früh angerufen hatte, hatte sie abgenommen. Und sie hatte nicht überrascht gewirkt, als hätte sie seinen Anruf erwartet. Als hätte sie so viel an ihn gedacht, wie er an sie. Mit geschlossenen Augen stellte er sich vor, wie sie allein in ihrem Bett lag, nackt unter einem dünnen Baumwolllaken, das Fenster geöffnet, um die warme
feuchte Nachtluft Washingtons einzulassen, und über ihr ein Ventilator, der sich langsam drehte. Diese Vision ließ ihn erschauern, und einen Augenblick lang glaubte er, sie fast berühren zu können.
    Dann öffnete Wells die Augen und sah auf die Uhr. 11:40 Uhr. In fünf Minuten würde Khadri mit dem Delta-Flug 561 aus Detroit eintreffen.
     
    Das Flugzeug landete pünktlich, aber Khadri war nicht an Bord.
    Der Mann, der von der Rolltreppe stieg, war jünger, Anfang dreißig, groß, glatt rasiert, trug Slacks und ein locker sitzendes Poloshirt. Gegen seine olivefarbene Haut und das drahtige schwarze Haar konnte er nichts tun, aber ansonsten passte er ausgezeichnet in die Menge der mittäglichen Geschäftsreisenden. Bis hin zu seinem Laptop. Ein Profi. Als er sich in der Halle umblickte, entdeckte er das T-Shirt mit dem Aufdruck des Atlanta Jazz Festivals, das Wells per E-Mail angekündigt hatte – eine einfache, narrensichere Methode, um in der Öffentlichkeit Kontakt zu schließen – und ging geradewegs auf ihn zu.
    »Sie müssen Jack sein«, sagte er in reinem, weichem Englisch mit einem kaum vernehmbarem saudiarabischem Akzent. »Ich bin Thomas.«
    Die Namen stimmten. Auch wenn Khadri selbst nicht hier war, war dies sein Mann. »Schön, Sie zu treffen«, sagte Wells. »Wie ist das Wetter in Detroit?« Nur eine einfache Frage, um zu bestätigen, was er bereits wusste.
    »Gestern Abend noch etwas bewölkt, aber heute Morgen klar.«
    Wells streckte dem Mann die Hand entgegen, der sie zum Gruß schüttelte.

    Sie schwiegen, bis sie auf die I-285 in östlicher Richtung auffuhren, wo sein Apartment lag. Der Mann, der sich Thomas nannte, beugte sich ein wenig vor, um im rechten Seitenspiegel nach Verfolgern Ausschau zu halten. »Bitte fahren Sie auf die linke Spur und dann etwas schneller«, wies er Wells an, der dieser Aufforderung nachkam.
    Nach ein paar Minuten trug er Wells auf, wieder nach rechts zu wechseln und das Tempo zu drosseln. Schließlich forderte er ihn auf, wieder schneller zu fahren. Wells befolgte alle Anweisungen.
    »Wo wohnen Sie?«, erkundigte sich Thomas, als sie die Kreuzung von I-285 und I-20 erreichten.
    »In Doraville, im Nordosten von Atlanta. Etwa fünfundzwanzig Kilometer von hier. In zwanzig Minuten sollten wir dort sein.«
    »Wo genau?«
    »Sie meinen die Adresse?«
    »Ja.«
    Wells nannte ihm die genaue Adresse.
    »Wir fahren nicht zu Ihrem Apartment. Verlassen Sie hier den Highway, und fahren Sie auf

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