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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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»Was geschieht mit dir?«
    Du und deine niederträchtige Art, das geschieht mit mir, hatte er ihr im Geist geantwortet. Wie gern hätte er mit jemandem über sie geredet, aber Khadri war der Einzige, dem er genug vertraute, um ihn zu fragen, und Khadris Ratschlag lautete immer gleich: Konzentriere dich auf deine Arbeit. »Das ist dein Problem«, hatte ihm Khadri bei ihrem letzten Gespräch gesagt. »Kümmere dich darum.«
    In Ordnung. Ich werde mich darum kümmern, dachte Tarik. Noch heute Nacht werde ich mich darum kümmern.
     
    Als der Sauerstoffanzeiger an Tariks Mundstück auf null sank, kehrte er in die Luftschleuse zurück, entkleidete sich, hängte das Beatmungsgerät auf und rieb die Sauerstoffflaschen mit Bleiche ab. Sobald sie sauber waren, trug er sie aus der Luftschleuse in den offenen Bereich des Kellers. Dort schloss er sie an die Sauerstoffpumpe an, um sie wieder aufzufüllen.
    Während er duschte und sich langsam ankleidete, genoss er das Gefühl von Macht, das ihn jedes Mal überkam, wenn er mit dem Pest-Erreger arbeitete. Im Grunde wollte er den Keller gar nicht verlassen. Dies hier gehörte ihm, und niemand konnte es ihm nehmen.
    Schließlich ging er doch zur Treppe. Ein seltsames Zittern überfiel ihn, während er Stufe um Stufe hinaufstieg in der Erwartung, gleich seine Frau wiederzusehen. Fatima sollte ihn unterstützen, sie sollte seine Arbeit unterstützen, anstatt ihren mangelnden Respekt vor ihm dadurch zu zeigen, dass sie zu spät nach Hause kam. Sie hatte sich ihm als gute muslimische Frau in der Ehe verbunden, als Tochter
des Propheten, und sie musste ihr Wort ihm gegenüber und Allah gegenüber halten. In diesem Augenblick war es ihm schon fast egal, ob sie ihn liebte, solange sie ihn nur respektierte.
    Eine Mischung aus Ärger und Erleichterung überkam ihn, als er die Tür am oberen Ende der Treppe öffnete und sah, wie sie am Küchentisch saß und etwas in einen gelben Schreibblock schrieb. Seine geliebte Ehefrau. Dann bemerkte er wütend, dass sie einen Rock trug, der ihre Beine nicht bedeckte. Wann hatte sie den gekauft? Sie sah schon wie eine Ungläubige aus. Als sie mit Beginn ihrer Arbeit in der Anwaltskanzlei aufgehört hatte, ihre bodenlangen Gewänder zu tragen, hatte er sie noch gewarnt, sich nicht unschicklich zu kleiden. Aber sie hatte seine Bedenken und Warnungen beiseitegeschoben und erklärt, dass sie sich für die Arbeit den hiesigen Gewohnheiten entsprechend anziehen müsste, um dazuzupassen. Damit ist jetzt Schluss, dachte Tarik. Von jetzt an wird sie tun, was ich sage.
    »Hallo, mein Liebling«, sagte er, während er zu ihr ging, um sie zu küssen. Aber sie wandte die Lippen ab und bot ihm stattdessen die Wange. »Wie war die Arbeit?«
    Sie antwortete nicht.
    »Mein Liebling, wir haben schon oft genug darüber gesprochen. Warum bist du so spät gekommen? Du musst anrufen …«
    »Tarik …«
    »Fatima.« Die Wut in ihrer Stimme ließ ihn einen Augenblick lang innehalten, aber dann entschloss er sich fortzufahren. »Hör mir zu …«
    »Tarik!«, schrie sie. »Ich habe dir lang genug zugehört! Jetzt hörst du mir zu!«
    Ihre Stimme hallte in der winzigen Küche wider. Er
schwieg entsetzt. Noch nie zuvor hatte sie ihm gegenüber die Stimme erhoben.
    Als sie vom Tisch aufstand, sah er den kleinen schwarzen Koffer zu ihren Füßen. Es war ein billiges Modell mit weicher Schale, das er noch nie gesehen hatte. Während er versuchte, nicht darüber nachzudenken, was dies bedeutete, erkannte er, dass er sich selbst belogen hatte. Er wollte nicht nur, dass sie ihn respektierte. Er wollte, dass sie ihn wieder liebte, dass sie ihn wieder so anlächelte wie damals, als sie einander zum ersten Mal begegneten.
    Sie holte tief Atem, um ihre Haltung wiederzufinden. In der Küche war es gespenstisch still, und plötzlich fühlte sich Tarik, als hätte er übermenschliche Kräfte, die sein Sehvermögen und sein Gehör geschärft hätten. Nun hörte er die Tropfen, die langsam aus dem undichten Küchenwasserhahn in die Spüle fielen, sah den weichen dunklen Flaum auf den Pfirsichen, die sie stets in einer Schüssel auf die Anrichte stellte, und sah die einzelnen Körner des Abwaschlappens in der Spüle. Als er aufsah, brannte das Licht der Glühlampe an der Decke in seinen Augen.
    Als Fatima wieder zu sprechen begann, war ihre Stimme ruhig und fest. »Tarik, ich kann nicht mehr mit dir leben …«
    Seine Gedanken konzentrierten sich in einem einzigen Wort: Nein. »Mein Liebling,

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