John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
Ehefrau scheiden ließ, als er in den Ruhestand trat.
Ein Dutzend Kugeln aus der H&K hatten bei West und dem Leibwächter eine ganze Menge Schaden angerichtet. Allerdings nicht genug, um zu verschleiern, was vor Samis Eintreffen im Gästehaus geschehen war. Der Leibwächter lag nackt quer über dem Bett. Ein eingecremtes Kondom war über die Spitze seines schlaffen Penis gestülpt. West trug ein mit Nieten besetztes ledernes Hundehalsband und etwas, das wie ein Lederkorsett aussah. Einer seiner Arme war mit
Handschellen an das Bett gefesselt, der andere hing seitlich schlaff herunter. Offensichtlich hatte der Leibwächter noch versucht, ihn loszumachen, als Sami eintraf. Aber er war gescheitert. Und Wells ebenso.
Wieder sah Wells auf seine Uhr: 1:36:43. Das war jetzt nicht mehr wichtig. West war tot. Der Leibwächter war tot. Er würde nie imstande sein, der Polizei zu erklären, was hier geschehen war. Er würde allerdings auch Sami nie erklären können, was mit Qais geschehen war. Ihm blieb nur ein Ausweg aus diesem Schlamassel, und er hatte keine Zeit zu verlieren. Als er aus dem Gästehaus trat, drehte sich Sami zu ihm um.
»Kannst du …«
In dem Augenblick hob Wells die Glock und erschoss ihn. Einmal in die Brust und einmal in den Kopf, zur Sicherheit. Die H&K ließ er, wo sie lag, und griff stattdessen nach Samis Pistole. Ein guter Schalldämpfer könnte nützlich sein.
Während in der Ferne bereits Sirenen zu hören waren, rannte Wells zum Haus zurück. Er musste Qais erledigen. Qais wusste, dass er die Al-Quaida verraten hatte, und würde ihm die Schuld für diese Morde zuweisen, damit sich die CIA an seine Fersen heftete. Vermutlich würde die CIA irgendwann erkennen, dass Qais sie täuschte, aber nicht, wenn er klug genug war, immer nur kleine Einzelheiten über Wells preiszugeben, so als wollte er ihn wirklich beschützen. Nein, das durfte Wells nicht riskieren. Qais musste sterben.
Wieder stieg Wells über den toten Rottweiler. In der Eingangshalle lag Qais noch immer bewusstlos auf dem Boden, wie Wells ihn zurückgelassen hatte. Während er auf ihn hinabsah, stöhnte Qais kaum vernehmbar, als hätte er sein Schicksal bereits akzeptiert. »Inschallah«, sagte Wells leise.
Dann schoss er Qais einmal mit der 45er Pistole in den Hinterkopf. Ein schwaches Pop. Noch ein Mann tot. Schließlich tat Wells etwas, das er hasste. Er drehte Qais auf den Rücken und zielte mit der 45er direkt auf sein Gesicht. Nachdem er einen Schritt zurückgetreten war, damit das Blut seine Hose nicht befleckte, drückte er immer wieder ab, bis Qais’ Nase, Mund und Augen nur noch eine blutige Masse waren. Ein unkenntlicher Brei. Wells nahm an, dass ihn die Überwachungskameras auf dem Flughafen Hartfield gemeinsam mit Qais zeigten, und dass die Polizei diese Bänder so schnell wie möglich prüfen würde. Aber da Qais keinen Ausweis bei sich trug, hatte Wells nun dafür gesorgt, dass die Bänder der Polizei nicht viel nützten.
Während die Sirenen lauter wurden, lief Wells durch das Haus in die an der Rückseite gelegene Küche. Sobald er die Küchentür geöffnet hatte, sprintete er durch den Garten hinter dem Haus, zog sich am Zaun hoch und landete auf dem Kies hinter dem halb fertigen Ziegelbau.
Mit einer schnellen Bewegung zog er sich die Schimütze vom Kopf. Dann rannte er um das unfertige Haus herum und über die Auffahrt zu der Straße zurück, wo er den Pick-up geparkt hatte. Die Häuser auf dieser Seite waren noch dunkel. Ein glücklicher Zeitgewinn. In seinem Ranger setzte er sich die Red-Sox-Mütze auf und fuhr davon. Als er auf die Mount Vernon einbog, kam ihm eine Polizeistreife mit Blinklicht und heulender Sirene entgegen. Im Vorbeifahren musterte ihn der Polizist aufmerksam, ohne jedoch langsamer zu werden. So fuhr Wells frei in die Nacht hinaus.
Am Küchentisch in seinem Apartment versuchte Wells, das leichte Zittern seiner linken Hand unter Kontrolle zu bringen.
Jetzt, wo der Adrenalinstoß nachließ, fühlte er sich einfach nur müde. Jenseits der Müdigkeit. Erschöpft bis auf die Knochen.
Im April hatte er dem Vernehmungsbeamten des Lügendetektortests gesagt, dass er sich nicht mehr erinnerte, wie viele Männer er getötet hatte. Das war gelogen. Er erinnerte sich an jeden Einzelnen. Jetzt musste er seiner Liste zwei weitere hinzufügen. Seine Gedanken wanderten zu dem ersten Hirsch zurück, den er vor vielen Jahren geschossen hatte. Nein, er hasste es nicht zu töten. Er war es
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