John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
der Aufsicht eines Majors der Special Forces, der schon zweihundertfünfzig Sprünge absolviert hatte. Nun konnte Bosarelli lediglich vor dem Armaturenbrett stehen, weil er nicht mehr in den Sitz passte. Die Designer der C-130 hatten nicht erwartet, dass die Piloten des Flugzeugs Fallschirme tragen würden.
»Kontrollier deinen Tansponder.« Beide hatten Notleuchtstäbe bei sich, die in schwarzen Plastikboxen an ihrer Taille befestigt waren.
»Geprüft.«
»Zweihundertdreißig Kilometer bis Inch’on«, sagte Bosarelli. »Vierzig Kilometer westlich der Mittellinie.«
»Zwei Minuten«, meldete Keough. Sein Bildschirm leuchtete rot auf und in seinem Kopfhörer ertönte ein lautes, schnelles Alarmsignal. In den letzten fünfzehn Minuten hatten die Chinesen sechs weitere Kampfjets in die Luft geschickt. Zwei von ihnen hatten beschlossen, sich die C-130 näher anzusehen.
Jetzt ging ein weiterer Alarm los, höher und drängender als der vorige. Einer der chinesischen Kampfjets hatte die Hercules mit seinem Zielradar erfasst. Dies war eine wortlose Warnung, dass sie augenblicklich mit einer Luft-Luft-Rakete rechnen mussten, sobald sie in den chinesischen Luftraum eindringen würden.
»Eine Minute bis zum Zielpunkt«, sagte Keough.
»Eine Minute.« Bosarelli schaltete den Tansponder der Hercules auf 7700, das Signal für einen Flugzeugnotfall. Dann drehte er sich um und streckte Keough die behandschuhte Faust entgegen. Dieser hob ebenfalls die Hand und schlug Knöchel gegen Knöchel ein.
»Bereit, Jim?«
»Bereit.«
Wieder erklang der Radaralarm. Diesmal sogar volle fünfzehn Sekunden lang. »Ich kümmere mich darum«, sagte Bosarelli. Er schaltete das Funkgerät der Hercules auf die militärische Notfallsfrequenz von 243,0 MHz. Die Warnung, die zwar auf Englisch, aber mit schwerem Akzent, ausgesprochen wurde, entsprach seinen Erwartungen: »Sie nähern sich dem chinesischen Luftraum. Drehen Sie ab, ansonsten müssen Sie mit sofortigen Maßnahmen rechnen.« Pause. »Sie nähern sich dem chinesischen Luftraum. Drehen Sie ab …«
»Ich werde es berücksichtigen«, murmelte Bosarelli, während er das Funkgerät ausschaltete.
»Dreißig Sekunden bis zum Ziel.«
»Dreißig Sekunden. Klappen auf fünfzig.« Wieder fuhr Bosarelli die Klappen des Flugzeugs aus. »Jetzt, Jim. Los.«
Keough verließ das Cockpit. Dann hörte Bosarelli ein lautes Zischen, als er die Mannschaftsluke knapp hinter dem Cockpit öffnete. Das Flugzeug begann zu rütteln. Wieder erklang in seinem Kopfhörer der Radaralarm.
Jetzt. Bosarelli drückte den Schubhebel über den Leerlauf hinaus, um die Maschinen abzuschalten. Dann griff er zu Keoughs Platz hinüber und drehte die Treibstoffpumpen ab.
Einfach so verwandelte sich die C-130 in einen fünfundsechzig Tonnen schweren Gleiter. Während die Maschine an Schub verlor, schrillten sowohl in seinem Kopfhörer als auch im Cockpit verschiedene Alarme. Die Propeller hatten immer noch ein wenig Drehmoment, sodass das Flugzeug nicht augenblicklich in den Sturzflug ging. Aber Bosarelli wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Es war Zeit, zu gehen. Er verließ das Cockpit und sah zu Keough hinüber, der an der offenen Tür des Flugzeugs wartete. Dieser nickte und trat mit angelegten Händen aus dem Flugzeug. Im selben Augenblick war er verschwunden.
Bosarelli zog die Schutzbrille über die Augen und trat an die offene Luke. Statt des normalen Geräusches der Turboprops hörte er nur die Sirenen im Cockpit und das Rauschen des Windes. Während er in den Nachthimmel hinausblickte, verlor er für einen Moment die Nerven. Am liebsten wäre er ins Cockpit zurückgerannt und hätte versucht, die Maschinen neu zu starten. Aber er wusste, dass es nur einen Ausweg gab. Hinunter.
Und noch ehe er seine Meinung ändern konnte, hatte er sich abgestoßen und war in die kühle Nachtluft hinausgestiegen.
Unter normalen Umständen, das heißt mit ausgestreckten Armen und Beinen, fiel der menschliche Körper mit einer Maximalgeschwindigkeit von 200 km/h – ungefähr zweihundertfünfzig Meter in fünf Sekunden. Bosarelli presste die Arme fest an die Brust und streckte die Beine abwärts, weil er hoffte, auf diese Weise auf 300 km/h zu kommen. Er wollte so schnell wie möglich von der Hercules wegkommen, um nicht von der Explosionswelle des Flugzeugs erfasst zu werden.
Dann traf ihn eine Böe in die Seite, verdrehte seinen Rücken und schleuderte seine Schultern auswärts. Als er die Arme hob, um das
Weitere Kostenlose Bücher