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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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umklammerte das Holz so fest, als wären seine Hände damit verschmolzen. Vermutlich gab es eine bessere Methode, sich festzuhalten, aber die kannte er nicht.
    Mehr als eine Stunde waren sie in ungefähr achthundert Metern Entfernung parallel zur Küste gefahren. Während Cao das Ruder bediente, hatte Wells nicht viel zu tun. Mehrmals hatten sie über sich Hubschrauber gehört und die Lichter eines Bootes in der Ferne gesehen, aber keines kam auf Rufnähe heran. Sie ließen den Motor mit voller Kraft laufen, und trotz der abblätternden Farbe und des rostigen Motors schien das Boot tatsächlich seetüchtig zu sein. Auf jeden Fall leckte es nicht, denn das war das Einzige, was Wells beurteilen konnte. Seine seefahrerischen Erfahrungen beschränkten sich auf ein gelegentliches Bad mit Exley.
    Im Süden wurde die Küste felsiger und rauer. Tagsüber war die Entwicklung vermutlich offensichtlicher. Nachts hingegen, nur beleuchtet vom schwachen Schein eines Viertelmondes, wirkte das Land überraschend unberührt. Vermutlich besaß sogar China ein paar Orte, die nicht überlaufen waren, dachte Wells.

    Die Lichter an der Küste wurden spärlicher und spärlicher, bis sie vollständig verloschen.
    »Tianjintou«, sagte Cao, wobei er nach Süden deutete. In der Ferne endete das Land in einem Felsenvorsprung, an dem die Wellen wie schmale weiße Zungen hochschlugen.
    »Tianjintou?«
    »Bedeutet ›Ende von Welt‹. Östlichster Punkt in Shandong. Ab jetzt nur Wasser.«
    »Bleibt zu hoffen, dass wir nicht schwimmen müssen.«
     
    Eine halbe Stunde später wirkte Wells’ Ausspruch eher wie eine Prophezeiung denn wie ein Scherz. Zwei Hubschrauber strichen hinter ihnen mit ihren Scheinwerfern die Küste entlang. Und im Westen sah Wells in einiger Entfernung die Lichter von drei Booten. Zumindest eines davon war ein Zerstörer oder eine Fregatte – auf jeden Fall etwas Großes. Die Boote fuhren nach Osten, auf das offene Meer hinaus. Sie jagten Wells und Cao, obwohl sie noch nichts davon wussten.
    Dann tauchten im Süden zwei weitere Boote auf. Diesmal waren es kleine, schnelle Boote. Wells konnte sie noch nicht hören, aber er sah ihre Scheinwerfer. Als er Cao an der Schulter antippte und in die Richtung deutete, zuckte dieser nur die Achseln.
    Diese beiden würden sie nicht schnappen, dachte Wells. Die schweren niedrigen Wolken halfen ihnen, zumindest bis Sonnenaufgang. Aber sobald es hell würde, könnten sie sich nirgendwo verbergen. Man würde sie weit vor Inch’on zur Strecke bringen.
    Wells konzentrierte sich auf das rollende dunkle Wasser, das schal und brackig vor ihnen lag. Im College war er ein halbwegs guter Schwimmer gewesen. Schwimmen
zählte zwar nie zu seinen Lieblingssportarten, aber im Winter baute er damit seine Muskeln wieder auf, die unter den Schlägen der Football-Saison gelitten hatten. Allerdings war es eine hoffnungslose Fantasie, die dreihundertsechzig Kilometer bis Korea schwimmend zurückzulegen, selbst wenn er keine gebrochenen Rippen hätte. Ebenso hoffnungslos wie die übrige Mission, dachte Wells. Er bedauerte es nicht, das Risiko eingegangen zu sein. Denn nun kannte er das Geheimnis und damit den Grund für diesen Krieg. Wenn es Cao und ihm nur gelingen würde, zu überleben, könnten sie ihn verhindern.
    Seit ihn Exley in New York gerettet hatte, hatte er mit seinem geschenkten Leben gespielt. Er wollte nicht sterben, nicht auf diese Art, aber ein Teil von ihm hatte die Tatsache akzeptiert, dass er sterben würde. Wenn nicht heute, dann bald. Er würde sein Glück so lange herausfordern, bis es zerbrach. Dass er diesmal ein so großes Risiko eingegangen war, konnte er mit der Bedeutung dieser Mission rechtfertigen. Aber welche Ausrede hatte er, wenn er mit 200 km/h über die I-95 jagte? Wie konnte er Exley bitten, ihm noch zu vertrauen?
    Er erinnerte sich an einen alten Scherz aus dem Philosophieunterricht am College: Ich bin ein Optimist und kein Fatalist. Aber wenn ich ein Fatalist wäre, was könnte ich dagegen tun? Oder um es mit den Worten des großen Philosophen Bruce Springsteen zu sagen: Everything dies, baby, that’s a fact. Wieder machte sich Wells’ Verstand selbstständig. Tianjintou. Das Ende der Welt. Erneut sackte er in sich zusammen, und die Dunkelheit umfing ihn.
     
    In sechstausendsiebenhundert Metern Höhe war die Nachtluft ruhig, auch wenn sich die Wolken unter der C-130 rasch
verdichteten. Bosarelli nahm die Maschinenleistung zurück und verringerte die Geschwindigkeit

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