John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
blieb ihnen noch reichlich Zeit zum Weiden, Ruhen und Wiederkäuen. John Workmann war pünktlich an der Drahtumzäunung gewesen, in der die Herde vollzählig lagerte, und Jay Williams hatte ihm mancherlei an seiner Kleidung geändert. Über seine eigenen Hosen, die an den Stiefeln mit kräftigem Bindfaden fest zusammengebunden wurden, mußte er ein Paar Buxen von besonderer Art anziehen. Hosen aus kräftiger Leinwand, die an der Außenseite der Schenkel mit starkem, langhaarigem Schaffell besetzt waren. Durch diesen Besatz, der von der unteren Kante bis zur Hüfte reichte, wurde der Unterteil von John Workmann mit einem Schlage auf den doppelten Umfang seines Oberkörpers gebracht. Weiter mußte er ein paar Sporen von ungeheuerlichen Abmessungen anschnallen, und schließlich verschwand sein sauberer Kragen in seinem Reisebündel. Dafür knüpfte ihm Jay Williams ein rotes Halstuch um und gab ihm eine Peitsche von beträchtlichem Gewicht mit langer Lederschnur in die Hand.
Eine halbe Stunde später war die Rinderherde auf dem Marsch. Jay Williams hatte die Spitze und hielt John Workmann neben sich. Zehn Cowboys umschwärmten die gewaltige Herde, hielten sie zusammen und trieben sie in gleichmäßigem Tempo vorwärts. Bis jetzt war die Sache jedenfalls nicht aufregend. Hier und da mußte ein Tier, das zu weiden begann, durch Peitschenhiebe wieder in Bewegung gesetzt werden. Hin und wieder mußten Nachzügler in der gleichen Weise angetrieben werden. Nach der Uhr führten Jay Williams und seine Leute die Herde ungefähr acht Stunden lang vorwärts und lagerten sich dann bis zum kommenden Morgen. So ging es diesen ersten Tag, und so ging es die vier folgenden Tage. Je länger, desto mehr kam John Workmann zu der Überzeugung, daß die Landwirtschaft und alles, was damit zusammenhing, ein wenig aufregende Sache sei.
Drückend heiß war der fünfte Tag des Treibens zu Ende gegangen, und nur noch zwei Tagesmärsche trennten die Herde von Springshill. Die Nacht brach heran, eine Mondscheinnacht. Aber dichte Wolken bedeckten den Himmel und zogen immer schwärzer und schwerer herauf. John Workmann lag am halb erloschenen Lagerfeuer. In eine Wolldecke gewickelt, war er sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Er wurde munter, als Jay Williams ihn kräftig rüttelte.
»What’s the matter, boss?«
»Get up, boy, es ist Unruhe in der Luft. Wir müssen wachen.«
John Workmann wurde hellwach. Er sprang auf und schlug die Arme ein paarmal ineinander, um das Blut in Umlauf zu bringen. Da spürte auch er, daß nicht alles so war, wie es sein sollte. Ein schwüler Wind strich stoßweise über die Prärie, daß die Gräser im unsicheren Lichte der Nacht wie die Wellen der See auf und nieder wogten. Die angepflockten Pferde liefen im Kreise herum, soweit ihnen das fesselnde Lasso die Freiheit gewährte, sogen schnobernd die Luft ein und wieherten bisweilen ängstlich. Die Rinder, die sonst zu dieser Zeit ruhig weideten oder wiederkäuend im Grase lagen, standen dicht gedrängt, dumpf brüllend beieinander.
Jay Williams blickte nach allen Seiten und ging auf seinen Gaul zu.
»Zu Pferde, Boys!« Gellend ertönte sein Befehl über die Prärie und wurde allseitig vollzogen. Auch John Workmann saß im nächsten Moment im Sattel seines Fuchswallaches »Billy« und hielt sich dicht an der Seite von Jay Williams. Sie waren keine Sekunde zu früh in den Sattel gestiegen. Denn nun brach das Frühlingsgewitter mit majestätischer Stärke und Schönheit los. An einem halben Dutzend von Stellen gleichzeitig schien der Himmel zu bersten und flüssiges Feuer zu speien. Zuckend fuhren die Blitze hernieder, und grollender Donner erfüllte die Luft. Von drei Seiten zog das Unwetter herauf. Immer kürzer wurden die Pausen zwischen Blitz und Donner, immer gewaltiger die Schläge, immer unruhiger die Tiere.
Jetzt wieder ein greller Blitz und gleichzeitig ein betäubender Donner. Schweflig gelb flammte es dicht vor den Cowboys auf. Der Blitz hatte in die Herde geschlagen, wohl ein Dutzend Tiere betäubt und getötet. Und nun brach das Unheil los, das Jay Williams befürchtet hatte. In sinnloser Furcht tobten ein Dutzend der stärksten Rinder davon, und die ganze Herde schloß sich ihnen an. Diese scheinbar so trägen Rinder, die den ganzen langen Weg nur im Schritt gegangen waren, stürmten in vollem Galopp dahin, daß der Boden unter mehr als zweitausend Hufen dröhnte und die Pferde der Cowboys Mühe hatten, ihnen zu folgen.
Eine
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