John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
ganz schlicht, so, wie er ihn selbst kennengelernt hatte. Ohne jede Übertreibung war die Darstellung geschrieben, und doch wirkte sie gerade dadurch überzeugend. Daß der Verfasser kein erfahrener Journalist oder Schriftsteller, sondern ein sechzehnjähriger Knabe war, gab der Sache einen besonderen Reiz. Mr. Berns legte ihm nahe, öfter einmal einen Beitrag zu liefern.
John Workmann hörte es und zuckte mit den Achseln. »Ich glaube, Mr. Berns, das wird nichts für mich sein. Es war etwas anderes, als ich hier die Angriffe gegen die Armour-Werke las. Da konnte ich etwas schreiben, denn ich kam direkt aus den Werken und kannte sie genauer als irgendein anderer Mensch in New York. Aber ich bin jung und will noch viel sehen und lernen. Ich will nur noch etwa zwei Wochen in New York bleiben. Dann will ich wieder auf die Wanderschaft gehen. Wie käme ich dazu, hier als junger Mensch den Leuten, die im allgemeinen viel klüger sind als ich, etwas Lesenswertes mitzuteilen?«
Mr. Berns pfiff den Yankee-Doodle vor sich hin, lächelte verschmitzt und erwiderte dann:
»Es ist natürlich Ihre Sache, einen geeigneten Stoff, ein passendes Thema zu finden. Das ist die große Kunst eines erfolgreichen Mitarbeiters. Erst wenn Sie mir eine Arbeit bringen, kann ich entscheiden, ob sie für unser Blatt taugt oder nicht. Im übrigen, mein lieber Junge, ist Bescheidenheit gewiß eine Tugend, aber man soll sie auch nicht zu weit treiben. Mr. Bennett hat Sie im Auge behalten und gibt Ihnen diese Chance. Denken Sie an das alte Wort: ›Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen‹.
Es wäre nach meiner Meinung doch richtig, wenn Sie während der Zeit, die Sie noch in New York sind, einen Versuch machten. Man kann nicht wissen, wozu es gut ist.«
John Workmann bedankte sich für den Rat und ging.
Langsam schlenderte er den Broadway hinunter zur City Hall, blickte mit seinen Augen in das Menschengewühl, das in der Mittagszeit am stärksten flutete, und hoffte im stillen, daß sich etwas ereignen würde, das ihm den Stoff zu einem Artikel geben könnte.
Aber nichts geschah. Die Menschen hasteten, ohne aufeinander zu achten, in endlosem Strom an ihm vorüber, jeder mit seinen eigenen Interessen beschäftigt. Wie eine tadellos funktionierende Riesenmaschine wickelte sich der Verkehr ab, und der Menschenstrom nahm John Workmann mit sich und führte ihn den Broadway hinunter zur Battery – dem Platz, wo früher die Einwanderer vom Schiff aus das erstemal amerikanischen Boden betraten, dem alten Landungsplatz der Holländer und später der Engländer. Es ist die Spitze der Landzunge, auf der New York gebaut wurde. Sie ist auf beiden Seiten von Wasser umgeben, rechts von dem majestätischen Hudson, links von dem Meeresarm, dem East River.
Vor einem kleinen Haus mit zwei Etagen, das in der Mitte einen kleinen Turm trug und auf dem Pier »A« lag, blieb John stehen und las an der Eingangstür die Goldbuchstaben: F.D.N.Y.
Die Tür war offen und ein scharfer Geruch von Pfeifentabaksrauch zog zu John Workmann. Er warf einen neugierigen Blick in den großen Raum, der hinter der Tür lag. Eine Gruppe von blau uniformierten Männern saß nach amerikanischer Sitte in Schaukelstühlen um den Feuerplatz des Kamins. Einer las Zeitung, einige hatten den Kopf auf die Brust gelehnt und schliefen, und zwei spielten mit aufgestemmten Armen, einen kleinen Tisch zwischen sich, Karten. Ihre Arme waren auf der behaarten Haut mit Tätowierungen von allerlei Seemannszeichen, wie Anker und Schiff, versehen.
Neugierig trat John Workmann näher.
Was waren das für Leute?
Sie blickten kaum auf, als er eintrat, wunderten sich auch nicht, daß er sich in dem Raum umsah, als ob er hier zu Hause wäre. Erst als er den Mann, der die Zeitung las, anstieß, fragte der:
»Was wünschen Sie, Sir?«
»Entschuldigen Sie, ich bin ein Mitarbeiter des ›New York Herald‹ und komme hier zufällig vorbei. Ich blieb aus Neugier stehen und trat bei Ihnen ein.«
Der Mann legte die Zeitung beiseite und blickte ihn mit blauen Seemannsaugen an: Seemannsaugen, klar und scharf wie das salzige Wasser des Ozeans. Bevor der Mann antwortete, griff er in die Tasche, zog ein Stück Kautabak heraus und reichte es John, ohne ein Wort zu sagen. Als dieser dankend ablehnte, lachte er kurz auf, biß ein Stück mit den kräftigen Zähnen ab und steckte das übrige wieder in die Westentasche.
»Also, junger Mann«, sagte der Alte, »Sie wollen wissen, was wir hier sind. Da will ich Ihnen
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