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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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Bündnisse nach einem oder anderthalb Tagen, aber dieses hielt bereits über ein Jahr. Später wurde einer der beiden verwundet, als wir gemeinsam eine Apotheke ausraubten; wir zwei andern legten ihn blutend am Hintereingang des Krankenhauses ab; er kam ins Gefängnis, und alles, was uns verbunden hatte, war gekappt Noch später bekamen wir ihn gegen Kaution frei, und schließlich wurde die Anklage gegen ihn in sämtlichen Punkten fallengelassen, aber wir hatten uns nun mal die Brust aufgerissen und ihm unser feiges Herz gezeigt, und nach so was kann man nicht länger befreundet sein.
    An dem Abend im Haus der Kriegsveteranen hatte ich beim Tanzen eine Frau hinter die riesige Klimaanlage gedrängt, sie geküßt, ihr die Hose aufgeknöpft und meine Hand vorn reingeschoben. Bis vor ungefähr einem Jahr war sie mit einem Freund von mir verheiratet gewesen, und ich hatte immer gedacht, wir würden bestimmt mal was miteinander haben. Doch ihr Liebhaber, ein tückischer, dürrer, kluger Mann, dem ich mich, wie’s aussah, unterlegen fühlte, bog um die Klimaanlage, schaute uns wutentbrannt an und sagte ihr, sie solle rausgehen und im Auto warten. Ich fürchtete schon, er würde handgreiflich werden, aber dann verschwand er genauso schnell wie sie. Von da an fragte ich mich den ganzen Abend alle paar Sekunden, ob er wohl mit Verstärkung zurückkommen und es mir heimzahlen, mich demütigen würde. Ich hatte eine Pistole dabei, hätte sie aber nie benutzt. Sie war so billig gewesen, daß ich sicher war, sie würde mir, sollte ich je den Abzug drücken, in der Hand explodieren. Also konnte sie meine Erniedrigung bloß größer machen – am Ende würden die Leute noch sagen (meistens, stellte ich mir vor, Männer zu Frauen): «Er hatte eine Pistole, zog sie aber gar nicht erst» Ich trank, soviel ich nur konnte, bis die Cowboy-Combo zu spielen aufhörte und die Lichter angingen.
    Dann zogen meine beiden Freunde und ich ab, um in meinen kleinen grünen Volkswagen zu steigen, und dort entdeckten wir den Mann, von dem ich euch er- zählen wollte, den ersten Mann, fest schlafend auf dem Rücksitz.
    «Wer is’n das?» sagte ich zu meinen beiden Freunden. Aber sie hatten ihn auch noch nie gesehen.
    Wir weckten ihn, und er setzte sich auf. Er war ein ziemlicher Brocken, nicht so groß, daß er mit dem Kopf ans Dach gestoßen wäre, aber ganz schön breit, mit feistem Gesicht und kurzgeschorenem Haar. Er wollte nicht aussteigen.
    Er deutete auf seine Ohren und seinen Mund, offenbar um uns klarzumachen, daß er weder hören noch sprechen konnte.
    «Was jetzt?» sagte ich.
    «Also, ich steig ein. Rutsch rüber», sagte Tom zu dem Mann und kletterte zu ihm auf den Rücksitz.
    Richard und ich stiegen vorn ein. Alle drei wandten wir uns zu unserem neuen Gefährten.
    Der zeigte mit der Hand geradeaus. Dann schmiegte er die Wange in die Hände, was soviel wie «heia heia» heißen sollte. «Der will einfach bloß nach Hause gefahren werden», vermutete ich.
    «Ach ja?» sagte Tom. «Na, dann fahr ihn doch nach Hause.» Toms Gesichtszüge waren so scharf geschnitten, daß man ihn meistens für noch schlechter gelaunt hielt, als er ohnehin war.
    Durch Zeichensprache zeigte unser Begleiter an, wohin er gebracht werden wollte. Tom gab seine Anweisungen weiter, weil ich den Mann beim Fahren nicht im Auge behalten konnte. «Rechts ab – links ab – jetzt langsamer – hier müßte es gleich sein» und so weiter.
    Wir hatten die Fenster heruntergekurbelt Nach einer Reihe frostkalter Wintermonate war der milde Frühlingsabend wie ein Fremder, der uns seinen Atem ins Gesicht hauchte. Wir brachten unsern Gast in eine Wohnstraße, in der sich die Blüten aus den Knospen der Zweige zwängten und die Blumensamen unter der Erde stöhnten.
    Er war massig wie ein großer Affe – wir sahen es, nachdem er ausgestiegen war – und ließ die Arme an sich herunterschlenkern, als wollte er jeden Moment auf alle viere niedergehen und auf den Fingerknöcheln weiterlaufen. Bei einem der Häuser glitt er leichtfüßig die Auffahrt hinauf und hämmerte an die Tür. Im ersten Stock ging ein Licht an, der Vorhang bewegte sich, das Licht ging wieder aus. Doch da war er schon wieder beim Auto und schlug mit der Hand aufs Dach, und ich konnte das Ding nicht schnell genug in Gang kriegen, um abzuhauen und ihn dazulassen.
    Er legte sich quer über die Kühlerhaube meines VWs, als wäre er in Ohnmacht gefallen.
    «War wohl nicht das richtige Haus», meinte

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