Johnson, Denis
runtergefallen», sagte sie.
«Danke, Baby, daß wir das auch noch geklärt haben», sagte er.
Ein junger Typ, groß, muskulös, mit roten Wangen und blondem Bürstenhaarschnitt, kam herein und trat zu uns. Ich hatte das Gefühl, daß er der Gastgeber sein mußte, denn er hielt den Henkel eines grünen, fast papierkorbgroßen Bierkrugs umschlossen, auf den ein Hakenkreuz und ein Dollarzeichen gemalt waren, und an dieser persönlichen Note (wie Hugh Hefner, der auf den Cocktailpartys des «Playboy» im Pyjama herumlief) meinte ich zu erkennen, daß er hier zu Hause war.
Er lächelte mich an, schüttelte den Kopf. «Er kann nicht bleiben. Tammy will ihn hier nicht haben.»
«Na schön», sagte ich, «wer immer Tammy ist» Etwas wie Gier befiel mich bei diesen merkwürdigen Leuten. Ich witterte Ausschweifungen, den Duft eines Heiltranks, der alle meine Plagen bannen würde.
Unser riesiger Gastgeber sagte: «Am besten verschwindet ihr gleich jetzt wieder mit ihm.»
«Wie heißt er eigentlich?»
«Stan.»
«Stan. Und ist er wirklich taub?»
Das Mädchen schnaubte nur.
Der junge Typ sagte lachend: «Der war gut»
Richard boxte mich auf den Oberarm und deutete mit einem Blick zur Tür an, daß wir abhauen sollten. Ich merkte, daß ihm und Tom die Leute hier angst machten; und im seihen Moment auch mir. Nicht daß sie uns etwas getan hätten. Aber neben ihnen kamen wir uns dumm und albern vor.
Der Anblick der Frau setzte mir zu. Sie sah so weich aus, so perfekt wie eine Schaufensterpuppe aus Fleisch, ganz und gar aus Fleisch.
«Den könnt ihr behalten – los, schnell weg!» schrie ich und rannte nach draußen.
Ich saß schon wieder auf dem Fahrersitz, und Tom und Richard waren die Einfahrt schon halb herunter, da kam Stan aus dem Haus. «Häng ihn ab! Häng ihn ja ab!» brüllte Tom und kletterte hinter Richard ins Auto, aber als ich anfuhr, hatte der Mann bereits den Türgriff gepackt.
Ich trat aufs Gas, doch er ließ nicht locker. Schaffte es sogar, uns immer ein winziges Stück voraus zu sein, und drehte sich dabei um und schaute mir durch die Windschutzscheibe direkt ins Gesicht, und diesen wahnwitzigen Blickkontakt hielt er die ganze Zeit aufrecht und lächelte auch noch höhnisch, als wollte er sagen, er bleibe von nun an bis in alle Ewigkeit bei uns, und rannte gleichzeitig immer weiter, schneller und schneller, kleine Atemwölkchen ausstoßend. Nach knapp fünfzig Metern, wir näherten uns gerade dem Stopschild an der Hauptstraße, drückte ich richtig auf die Tube und hoffte, ihn endlich abzuschütteln; aber alles, was ich erreichte, war, daß er gegen das Stopschild knallte. Er rammte es mit dem Kopf voran, die Stange knickte weg wie ein Blumenstiel, er knallte flach auf den Boden und begrub das Ding unter sich. Das Holz muß morsch gewesen sein. Sein Glück,
Wir ließen ihn dort zurück, einen taumelnden Mann an einer Kreuzung, an der einmal ein Stopschild gestanden hatte. «Und ich dachte immer, ich kenne jeden bei uns in der Stadt», sagte Tom, «aber die Leute da sind mir noch nie untergekommen.»
«Die waren mal Cracks, jetzt sind sie Alks», sagte Richard.
«Footballtypen. Ich hatte keine Ahnung, daß die so abstürzen können.» Tom blickte zurück, die Straße hinunter.
Dann hielt ich, und wir alle bückten zurück. Vierhundert Meter hinter uns stand Stan im Sternenlicht auf den Feldern. Er hatte die Haltung von jemandem, der einen entsetzlichen Kater hat oder versucht, den Kopf wieder richtig zwischen die Schultern zu kriegen. Genauer gesagt, nicht nur den Kopf; es war, als hätte man ihn aus der Welt herausgeschnitten und zum Abfall geworfen. Kein Wunder, daß er weder hören noch sprechen konnte, kein Wunder, daß er mit Worten nichts zu tun haben wollte. Für ihn gab’s das alles nicht mehr.
Wir starrten ihn an. Wir kamen uns vor wie alte Jungfern. Er hingegen, er war des Todes Braut.
Wir fuhren weiter. «Wir haben doch tatsächlich kein Wort aus dem rausgekriegt»
Wahrend der ganzen Rückfahrt schimpften Tom und ich über ihn.
«Ihr habt’s einfach nicht kapiert Man kann Cheerleader sein, man kann in ‘ner Mannschaft sein, das heißt alles gar nichts. Mit jedem kann’s bergab gehen», sagte Richard, der auf der Highschool selber mal Quarterback oder so was gewesen war.
Sobald wir den Stadtrand erreicht hatten, wo in langen Reihen Straßenlampen standen, mußte ich wieder an Caplan denken, und die Angst kehrte zurück.
«Ich such den Heber», meinte ich zu Tom, «statt
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