JoJo Und Ich
…
»Hättest du mich denn nicht ausnahmsweise warnen können?«, fragte ich, wenn ich mir wieder einmal eine Beule am Kopf rieb.
Mit der Zeit lernte ich immer mehr von JoJos Echolauten in ihrer Bedeutung zu erfassen; ich brauchte nur die entsprechenden Situationen am Tag mit denen in der Nacht zu vergleichen.
Einmal sagte ich zu ihm (nicht ohne mich vergewissert zu haben, dass mir niemand zuhörte): »Ich glaube, ich lerne jetzt Delfinesisch. Ich verstehe immer besser, was du meinst, wenn du schnalzt und pfeifst. Deinen Gesichtsausdruck kann ich inzwischen auch schon ganz gut interpretieren.«
In meine Bemühungen, JoJos Ausdrucksverhalten immer besser deuten zu lernen, investierte ich viel Zeit, Aufmerksam keit und Geduld, um meine Signale und Auslöser so abstimmen zu können, dass er sie verstand.
Wenn es etwa um eine »medizinische« Untersuchung nach einer Verletzung ging, musste ich seine Bereitschaft sehr ge nau einschätzen und durfte ihn auf keinen Fall zu irgendetwas zwingen. Durch Beharrlichkeit, Versuch und Irrtum überwanden wir viele kleine Schwierigkeiten und Missverständnisse, sodass sich die Fäden unserer Kommunikation immer dichter verknüpften. Und im Laufe der Jahre entstand durch diesen sehr persönlichen Austausch ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen uns.
Ich fand heraus, was JoJo am Abend und in der Nacht für sich allein tat, und es war wichtig, ihn dann vollkommen in Ruhe zu lassen, genau wie zu den Zeiten, in denen er sich zur Nahrungssuche weiter entfernte. Offenbar gab es Plätze, die für ihn zu bestimmten Zeiten sakrosankt waren und deren Grenzen dann unbedingt gewahrt werden mussten.
Und Zeit für sich allein zu brauchen ist ja nichts, was speziell Delfine auszeichnet. Mir scheint, es gilt für alle Tiere – auf jeden Fall aber für uns Menschen.
Wenn JoJo nicht aus freien Stücken kam und damit zeigte, dass ihm an Kontakt und Spiel gelegen war, verbrachte er die Nacht wohl wie jeder andere wild lebende Delfin, auch wenn er am Tag viel Umgang mit Menschen hatte. In der Nacht aber musste er seine »Delfinsachen« machen – außer wenn ich dabei war oder er Lust hatte, Leute zu wecken, die in ihren Booten schliefen.
JoJo jagt vor allem am Abend und legt dann auch die größten Entfernungen zurück. Deshalb habe ich nicht allzu oft Gelegenheit, in den späten Stunden des Tages mit ihm zu schwimmen, freue mich aber jedes Mal darüber. Es ist Liebe wie in einer innigen Beziehung zu einem Menschen, und jeder Augenblick mit JoJo ist mir lieb und teuer.
Je tiefer das Verständnis zwischen uns wurde, desto abenteuerlicher wurden die Touren, die ich mit ihm unternahm. Was mich schon lange reizte, war ein gemeinsamer nächtlicher Tauchausflug außerhalb des Randriffs. Da ich Erfahrungen mit dem Tauchen im Dunklen hatte, war ich vorbereitet.
An dem Abend, an dem ich es versuchen wollte, fand sich JoJo am Anleger ein.
»JoJo, möchtest du mich zu dem Boot am Tauchplatz begleiten?«, fragte ich ihn, als ich meine Nachttauchausrüstung ins Boot lud.
Wie immer meditierte ich erst einmal ein paar Minuten im Wasser und baute eine Schutzblase um mich auf. Ich atmete die Kraft des Atlantiks ein und ließ seine Energie in mir Raum greifen. Im Wasser fühlte ich mich so sicher, dass ich ganz eins mit ihm werden konnte.
Ich hatte vor, bis zu der Stelle zu schwimmen, an der das Boot am Riff verankert war, um dann schnell meine Tauchausrüstung anzulegen und mit JoJo auf Entdeckungsreise zu gehen. Bevor wir uns auf den Weg machten, schnallte ich mir noch meinen eigens für das nächtliche Riffschwimmen angefertigten neuen Gürtel um. Darin befand sich eine selbst aufblasende Schwimmweste, wie sie in Flugzeugen verwendet wird. Die hatte mir George geschenkt, ein Inselpilot, der uns von seiner Maschine aus einmal weit draußen hatte schwimmen sehen.
In dem Notruf, den er durchgab, sprach er von einem Menschen, der in der Weite des Meeres von einem Hai verfolgt wurde.
Mit dem Hubschrauber waren die Leute der Küstenwache schnell zur Stelle, und was sie George mitteilten, als sie dicht über JoJo und mich hinweggeflogen waren – nämlich dass es sich um einem Mann handelte, der mit einem Delfin spielte –, wird ihn wohl nicht nur erleichtert, sondern auch etwas peinlich berührt haben. Aber er machte gute Miene und schenkte mir die Rettungsweste, nachdem er sich ein Bild von unserer Beziehung und unseren langen Ausflügen verschafft hatte.
Außer der Tasche für die Weste hing an
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