JoJo Und Ich
meinem Gürtel noch eine Scheide, die ein kleines Messer enthielt. Am Rückenteil des Gürtels hatte ich eine Ortungshilfe und ein Blinklicht befestigt, nur für den Fall, dass ich in eine ungünstige Strömung geriet und das Boot nicht erreichen konnte. Natürlich sollte das Licht auch verhindern, dass ich angefahren wurde. Ans Bein schnallte ich mir einen »Bangstick« genannten kleinen Schussapparat, ebenfalls in einer Scheide, den ich schnell ziehen konnte, sollte ich von einem Hai angefallen werden.
JoJo sah sich das alles sehr interessiert an.
»Ich weiß, JoJo«, sagte ich, als er mich im flachen Wasser von allen Seiten begutachtete. »Das ist eine Schusswaffe, und wenn die versehentlich losgeht, wird sie mir und deinen empfindlichen Ohren vermutlich mehr schaden als einem Hai. Aber ich habe das Ding nur so lange bei mir, bis wir unsere größeren Freunde da unten in der nächtlichen Tiefe besser kennengelernt haben.«
Ein bisschen albern kam ich mir aber doch vor. Ich stemmte die Fäuste in die Seiten, baute mich in Heldenpose auf und dröhnte für alle hörbar: »Keine Angst, JoJo. Angst macht uns angreifbar. Aber wie könnte ich Angst haben mit dir, meinem Freund und Helfer, an der Seite?«
Ebenso amüsiert wie befremdet fragten die Taucher an Bord Käpt’n Nick, ob der verrückte Typ da draußen wirklich in der Nacht mit einem Delfin zum Riff schwimmen wollte.
Ich überhörte die Kommentare und sagte etwas leiser zu JoJo: »Im Übrigen leiten wir Menschen unsere Ängste ja meistens von Gegebenheiten und Umständen ab, die nicht einmal real sind. Haifische dagegen sind real, und nachts mit ihnen zu schwimmen ist auch nichts, was man sich einbilden kann. Aber wem sage ich das.« Zuletzt versicherte ich ihm: »Ich verspreche dir auch, dass ich dieses Schießgerät nur zu unserem ersten Nachttauchausflug mitnehme.«
Die Kreise, die JoJo daraufhin schwamm, sollten mir wohl zeigen, dass er damit leben konnte.
Ich lief zum Anleger, um mit Nick auszumachen, wo er nach mir schauen sollte, bevor er wieder in den flachen Teil der Bucht zurückkehrte. Dann pfiff ich und wartete, bis JoJo wieder da war. Ich hörte seine Ortungslaute, als er näher kam und mit der Rückenflosse einen Keil aus dem silbrigen Licht auf dem Wasser schnitt.
Wir machten uns auf den Weg; auch das Boot würde in wenigen Minuten ablegen. Es war eine warme Nacht und ich wusste JoJo neben mir, trotzdem überlief mich ein Schauer. Es hatte etwas Unheimliches, über die grauen und schwarzen Schatten unter mir zu schwimmen, bei denen es sich um Seegrasflecken oder Korallengebilde handeln mochte – vielleicht aber auch um gähnende Löcher im Meeresboden, die mich womöglich einsaugen würden.
Jetzt muss der Geist seine Führungsrolle gegenüber der Materie ausspielen, sagte ich mir. Ich hatte mich auf das Abenteuer eingelassen, und nun gab es kein Zurück mehr. Trotzdem blieb ungewiss, was die See und ihre Bewohner des Nachts für mich in petto haben mochten.
An Beweglichem sah ich sonst nur JoJo. Immer wenn mir größere Schatten ins Auge fielen, sagte ich mir, dass es sich nur um Seegras oder Korallengewächse handeln konnte. Dann holte ich jedes Mal tief Luft durch den Schnorchel und tauchte ab, um mich zu vergewissern, dass es nicht der gähnende Rachen irgendeines Seeungeheuers war. Beruhigt wieder auftauchend blies ich den Schnorchel aus und schwamm neben JoJo weiter. Dieses Mich-Vergewissern war beim nächtlichen Schwimmen eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme, auch wenn ich den Delfin ganz in meiner Nähe wusste.
»Wir sind jetzt einfach kühn, stark und selbstbewusst, nicht wahr, JoJo? Wir geben uns gegenseitig Rückhalt und einer hilft dem anderen, okay?«
Ich spürte ihn neben mir und fragte mich, ob er wohl mich oder sich selbst in der Beschützerrolle sah. Jeder von uns besaß seine eigenen ganz speziellen Fähigkeiten, dem anderen im Notfall beizuspringen.
Als uns das Tauchboot überholte, strahlte uns Käpt’n Nick mit seinem Suchscheinwerfer an. Die spöttischen und ungläubigen Bemerkungen der Taucher mussten mir wohl doch etwas zugesetzt haben, jedenfalls beschleunigte ich jetzt auf Profigeschwindigkeit, damit sie einmal sahen, über wen sie sich da lustig gemacht hatten.
Ja, schaut nur! Ich stellte mir vor, wie sich jetzt Bewunderung über die eben noch so selbstgefälligen Gesichter ausbreitete, und ich wurde so schnell, dass sogar JoJo ein wenig zurückblieb.
»Du verstehst das, nicht wahr?«, fragte ich
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