JoJo Und Ich
Selbstvertrauen wandte ich mich wieder der dunklen Tiefe zu. Wenn JoJo da war, würde ich es doch sicher bis zum Tauchboot schaffen, oder nicht?
Dessen Lichter schienen mir allerdings sehr weit entfernt zu sein. Vielleicht würde ich mich auf diesem Weg verausgaben und das Boot nicht rechtzeitig erreichen. Wie aber sollte ich dann nach Hause kommen? Außerdem konnte es ja auch sein, dass JoJo wieder verschwand. Ich hatte keine Zeit zu verlieren, war fest entschlossen, es zu schaffen, und diese Entschiedenheit mobilisierte meine letzten Reserven.
Ich glaubte jetzt wieder fest an das Duo JoJo und Dean, und je geringer die Entfernung zum Boot wurde, desto weniger dachte ich an eventuelle Gefahren.
Es war das erste Mal, dass wir uns zusammen über den Riffwall hinaus ins offene Meer wagten, und ich wusste noch nicht, wie JoJo das aufnehmen würde. Aber er blieb ganz nahe bei mir, streifte mich mit der Flosse und wurde auch von mei nen schwimmend ausgreifenden Armen immer wieder berührt. Wir waren schließlich nur noch etwa hundert Meter vom Boot entfernt, als plötzlich der Motor ansprang und der Anker aufgeholt wurde.
»He, ihr da drüben!«, rief ich und schaltete mein blinkendes Signallicht ein.
JoJo schoss voraus und begrüßte das langsam auf mich zuhaltende Boot. Ich kletterte an Bord und trocknete mich ab, während Nick uns auf Heimatkurs brachte.
»Gratuliere, Dean«, sagte er über den Lautsprecher. »Wir haben schon Wetten abgeschlossen, ob wir wohl auf dem Heimweg Leichenteile finden würden.« Sicher, für solche Witze braucht man schon das etwas rauere Gemüt eines Nachttauchers. Als wir später im Ruderhaus waren, sagte er sehr viel leiser zu mir: »Dean, ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. War alles in Ordnung da draußen? Die Taucher haben heute einen riesigen Hai gesichtet.«
»Nein, alles wunderbar«, sagte ich. »JoJo war ja da.« Ich seufzte tief und mit einem Blick auf unser v-förmiges Kielwasser, in dem der Delfin hinter uns herschwamm.
Gut, getaucht waren wir eigentlich nicht, aber mitten in der Nacht mit JoJo bis über das Barriereriff hinauszuschwimmen, das sollte mir erst einmal jemand nachmachen.
»JoJo«, sagte ich, »bist du heute mein Beschützer gewesen oder hast du angenommen, dass ich auf dich aufpasse?«
Genau weiß ich es natürlich nicht, aber ich glaube, dass mei ne Gegenwart als Anführer ihm beim Überqueren des Riffs Sicherheit gegeben hatte, und ich meinerseits hatte Kraft aus ihm bezogen. Irgendwie waren wir wohl beide Führer und Beschützer zugleich.
Nachdem JoJo jetzt das erste Mal mit einem Begleiter außer halb des schützenden Riffs war, würde er sich vielleicht künftig öfter auch allein von all dem menschlichen Treiben entfernen. Oder würde er seinem – und sicher auch meinem – instinktiven Drang nach Gemeinschaft folgen und den Kontakt zu uns wieder suchen?
Da er so gesellig veranlagt war und mich zu seiner »Schule« erklärt hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er zu unseren Tauchlehrgängen erschien, die immer einige Stunden vor unserer täglichen Schwimmrunde begannen. Er stellte sich dann so pünktlich ein, als hätte er den Kursplan gelesen. Auf den Plänen für die einzelnen Tauchlehrer hatte ich eigens vermerken lassen, dass man JoJo auf keinen Fall anfassen dürfe, und bei den Vorbesprechungen wurde diese Anweisung stets auch an die Kursteilnehmer weitergegeben. Alle Lehrer waren gehalten, besonders darauf hinzuweisen, dass JoJo ein wilder Delfin war, dessen Grenzen respektiert werden mussten.
Einmal war ich gerade dabei, meiner Tauchgruppe unter Wasser zu erklären, wie man die Maske freibekommt, als plötzlich einer der Schüler die Augen weit aufriss. Es sah aus, als hätte er eine Herzattacke. Er kniete wie erstarrt vor mir im Sand und blickte an mir vorbei. Zwei andere Kursteilnehmer deuteten auf meine rechte Schulter. Ich lächelte. Ich wusste, es konnte nur ein anderer Lehrer sein, der mir heimlich den Hahn abdrehte, oder …
Ich drehte mich um und sah JoJo, der mir seelenruhig über die Schulter blickte und die Unterweisungen interessiert verfolgte.
Ich signalisierte meinen Schülern, sie sollten bleiben, wo sie waren, aber bloß den Delfin nicht anfassen. Ich lächelte ihnen begütigend zu, um zu signalisieren, dass JoJo harmlos war. Da er offenbar gerade einmal keinen Unfug im Sinn hatte, konnte der Unterricht unter seinen prüfenden Blicken fortgesetzt werden.
»JoJo«, sagte ich und hielt ihm mein Mundstück hin,
Weitere Kostenlose Bücher