JoJo Und Ich
aufgehört hatte, wie wild seine Ortungslaute auszustoßen, und sich dabei weiter wie ein Bohrer drehte. Die Neugier packte mich. Ich grub meine Hand in den Sand neben JoJos Kopf und wühlte mich bis unter seine Schnabelspitze vor, um herauszufinden, was er eigentlich suchte. Offenbar spürte er etwas, denn er zog den Kopf so weit aus dem Sand, dass er sich umsehen konnte. Er musterte mich mit einem Auge, unternahm einen letzten Vorstoß in den Sand und zog den Kopf dann wieder ganz heraus.
In der glatten weißen Sandfläche blieb ein Krater zurück. JoJo machte sich davon und ich folgte ihm. Ich musste unbedingt wissen, was er da trieb; aber erst viele gemeinsame Stunden später offenbarte sich mir das Geheimnis der Sandlöcher.
An diesem Abend setzte ich mich an meinen Computer, froh, dem Lärm des Tourismusbetriebs unten in Grace Bay entkommen zu sein, und versuchte JoJos sonderbares Verhalten zu recherchieren. Mein bescheidenes Zuhause auf dem Hügel war der Ort, der mir meditativen Frieden bot. Ich schätzte mich glücklich, dieses winzige Häuschen zwischen all den teuren Villen am Hang aufgetrieben zu haben. Hier oben hatte ich einen Ausblick, wie es auf den Turks- und Caicosinseln keinen schöneren gab. Von meiner Hängematte vor der Tür aus blickte ich übers Meer und nachts in den Sternenhimmel.
Nur wenige wussten, wo ich wohnte, und das war ganz nach meinem Geschmack. Ich war ein Einzelgänger. Vielleicht nicht so wie JoJo, der möglicherweise von seiner Familie getrennt worden war, aber die Zeiten, in denen ich allein war, genoss ich jedenfalls sehr. Dies war ein meditativer Rückzugsort, an dem ich Tagebuch schrieb, im Internet das Verhalten der Walartigen erforschte, in einem meiner vielen Delfinbücher las oder einfach die tropischen Winde genoss.
Schlaf brauchte ich aus irgendeinem Grund nicht viel. Es gab ja auch so viel zu erkunden, weshalb sollte ich die Zeit verpennen? An diesem Abend ging ich meinen Recherchen nach, kümmerte mich um die E-Mails, die ich erhalten hatte, und rief zwischendurch Emily an.
»Hallo, Süße, wie war dein Tag?«, fragte ich und rechnete mit einer munteren Reaktion.
»Könnte besser sein«, lautete jedoch ihre Antwort. »Ich verstehe Seans Eltern einfach nicht. Ich versuche ihnen schonend beizubringen, dass Sean auf der Schule wohl Hilfe benötigen wird, und was passiert? Ich werde scharf zurechtgewiesen; Sean sei absolut normal und ich solle mir bloß keine Förderprogramme für ihn einfallen lassen. Dabei macht er sprachlich so gut wie gar keine Fortschritte und motorisch entwickelt er sich auch nur sehr langsam. Ich weiß nicht, was ich tun soll, Dean.«
»Vielleicht könntest du ja einen Spezialisten einspannen, der nicht weiter auffällt.«
»Hast du dabei jemand Bestimmten im Sinn?«
»JoJo. Wir könnten ihm Sean doch einmal vorstellen.«
»Das müsste aber heimlich geschehen. Denn wenn die Stewarts davon erfahren …«
»Ich kann schweigen wie ein Grab.«
Wir gingen es langsam an. Zunächst einmal stellte ich Emily dem Delfin vor. Als am nächsten Tag ihre Arbeitszeit zu Ende war, kam sie an den Strand. Ich hatte damit gerechnet, dass JoJo sie freundlich aufnehmen würde, doch stattdessen schien er sich in ein grünäugiges Eifersuchtsmonster zu verwandeln. Sie war kaum im Wasser, als er sich auch schon zwischen uns drängte und mir zu verstehen gab, dass ich in erster Linie ihm gehörte. Emily versuchte, auf die andere Seite zu kommen, aber er schnitt ihr den Weg ab.
»Das wird vielleicht doch ein bisschen länger dauern«, sagte ich und hob die Schultern.
»Macht gar nichts«, meinte Emily.
In dem Augenblick patschte JoJo mit der Schwanzflosse aufs Wasser und Emily bekam den ganzen Schwall ab. Prustend wischte sie sich die Augen frei. Sie tat mir jetzt wirklich leid; das Haar klebte ihr am Kopf, und ich wollte mich schon entschuldigen, als sie sich mit dem Handrücken die Locken aus dem Gesicht wischte und mich angrinste.
»Na ja, vielleicht doch ein bisschen«, sagte sie lachend.
Ich war froh und voller Bewunderung, dass sie JoJos Unarten so gut aufnahm. Auch später wurde sie nie ungehalten. JoJo mochte sie nass spritzen, sooft er wollte, sie lächelte nur und wartete geduldig auf meine Anweisungen. Eines dürfte JoJo jetzt klar geworden sein: Wenn ich nicht mit ihm im Wasser war, dann mit Emily an Land.
»Du musst aber doch zugeben, JoJo«, versuchte ich seine Eifersucht zu beschwichtigen, »dass ich einen guten Geschmack habe – nicht
Weitere Kostenlose Bücher