JoJo Und Ich
Annahme, JoJo könne ihn von da unten nicht sehen. Als er eben zuschnappen wollte, bekam er mächtig eins auf den Kopf und ging erst einmal unter. Nachdem er sprudelnd und niesend wieder aufgetaucht war, musste er auch noch JoJos Quiekser und Schnalzer über sich ergehen lassen.
Im Laufe der Zeit lernte der Hund, mit solchen Aktionen aus dem Hinterhalt zu rechnen und sich noch verstohlener anzuschleichen, aber JoJo fiel immer wieder etwas Neues ein. Wenn Toffy seinen Schwanz schon fast hatte, tauchte er manchmal weg, packte seinerseits den Hund am Schwanz und zog ihn rückwärts, bis er sich wieder losriss.
Man sollte annehmen, dass Toffy daraufhin erst einmal das sichere Ufer suchte, doch nein, sobald er frei war, setzte er JoJo wieder nach. Und das war erst der Anfang. Die Schlacht konnte sich stundenlang hinziehen.
Irgendwann war es dann aber so weit, dass Toffy erschöpft aufgeben und JoJos Feldüberlegenheit anerkennen musste. Er schwamm an Land, wo er den Heimvorteil hatte, und JoJo setzte sich dem sogar aus. Er paddelte Toffy ins wadentiefe Wasser nach, wo der Hund noch sicheren Stand hatte und hechelnd und schwanzwedelnd dastand, als wollte er sagen: »Ha, jetzt sieh mal zu, ob du mich kriegst!«
Ernsthafte Verletzungen trug keiner von beiden je davon. Manchmal waren Toffys Krallenspuren zwar noch ein paar Wochen an JoJo zu sehen, aber die Blessuren, die er verursacht hatte, brauchten sicher auch ihre Zeit, bis sie verheilt waren.
Das Einmalige an dieser Beziehung lag darin, dass sie nicht durch menschliche Vermittlung zustande kam. Oftmals ist keine Menschenseele an den weiten Stränden von Pine Cay, und die beiden treiben trotzdem ihr Spiel, von niemandem beobachtet. Vom Flugzeug aus sieht manchmal jemand den goldbraunen Hund am Strand sitzen und auf seinen Freund aus der Familie der Walartigen warten.
JoJo hat womöglich viele Spielgefährten, aber nicht alle stehen ihm so bereitwillig zur Verfügung wie Toffy. Wer nämlich einmal erlebt hat, was dieser Delfin unter Spielen versteht, ist hinterher meistens auf weitere Begegnungen nicht mehr so erpicht. Diejenigen Lebewesen des Meeres, die nicht zu den Säugetieren gehören, legen keinerlei Interesse am Spiel mit Delfinen an den Tag – erst recht nicht mit Menschen. JoJo mochte aber beide Arten von Spielgefährten. Woher hatte er diese Aufgeschlossenheit? War es seine Natur, dass er in allen Lebewesen erst einmal potenzielle Freunde sah, oder hatte die frühe Trennung von seiner Familie und Schule ihn so weise gemacht? Ich weiß es nicht, zweifellos aber erteilt mir JoJo Tag für Tag Unterricht in der großen Kunst der Akzeptanz – was meistens Spaß macht, manchmal aber auch ganz schön wehtun kann.
Da ich sein Verhalten und Ausdrucksverhalten inzwischen ziemlich gut kenne, weiß ich meistens, ob er nur zum Vergnügen hinter etwas her ist oder ob er Hunger hat und Beute sucht. Einmal schwammen wir gerade im flachen Wasser an einer Gruppe von Leuten vorbei, als JoJo weit reichende Ortungslaute zu senden begann und dann urplötzlich mit Feuereifer davonschoss. Ich stand auf, um nach ihm zu sehen. Knapp hundert Meter weiter draußen hatte JoJo offenbar etwas Größeres aufgetan und war dabei, es in Richtung Land zu treiben. Die Rückenflosse des Fremden, dünn wie ein Rasiermesser, schnitt mit erstaunlicher Schnelligkeit durchs Wasser und näherte sich dem Strand. Die meisten Menschen hatten es jetzt ziemlich eilig, an Land zu kommen.
»Keine Sorge, Leute«, rief ich, »Ammenhaie hat er schon öfter mal mitgebracht. Er schaufelt ihnen dann so viel Sand in die Kiemen, dass sie ganz friedlich werden. Es passiert euch bestimmt nichts.«
»Na, Sie haben Nerven«, sagte ein dünner Mann mit langem rötlichem Haar. »Sie schwimmen jeden Tag mit Haien und wissen, wie man sich da verhält.«
»Wenn Sie meinen«, sagte ich nur.
Der Mann suchte das Weite.
Einige wenige blieben bei mir im Wasser. Wir warteten ab. Eine große schwarze Masse kam mit JoJo den Strand entlang auf uns zu. Dann sah ich aber noch weitere Rückenflossen, JoJo gleich daneben.
»Vielleicht gehen wir doch lieber ein bisschen zurück«, sagte ich. Ein Hai erschien mir unbedenklich, aber mehrere?
Die Masse kam näher, und ich nahm an, sie würde sich jeden Augenblick in drei auseinanderstiebende Haie aufteilen. Das geschah jedoch nicht, und als die wilde Jagd nahe genug war und die Schwimmer zur Seite sprangen, erkannte ich auf einmal, dass ich keine drei Lebewesen vor mir hatte,
Weitere Kostenlose Bücher