JoJo Und Ich
Leute wollen ihn doch sehen«, rief ein an einem Zigarrenstumpen paffender Mann mit dünnen Beinen und einer Brust, die aussah wie eine mit dürrem Strandhafer bewachsene weiße Düne.
Genau diese Wichtigtuer sind es in der Regel dann auch, die Schrammen abbekommen. Dabei ließen sich Verletzungen so leicht vermeiden. Wenn diese Leute nur hinsehen würden, könnte ihnen nicht verborgen bleiben, dass JoJo wie die meisten Tiere rechtzeitig warnt, bevor er anfängt, sich zu verteidigen.
Wer dagegen aufgeschlossen bleibt und sich damit begnügt, JoJos Gesellschaft aus respektvoller Entfernung zu genießen, den erwartet etwas wirklich Neues. Jeder Atemzug in seiner Nähe erfüllt einen mit tropischer Wärme und Schönheit.
Ein paar Tage danach erfuhr ich, dass JoJo einer Frau mit der Schwanzflosse ins Gesicht geschlagen und ihr die Nase gebrochen hatte. Lisa, die Tauchlehrerin, hatte es beobachtet und sagte, es sei die Frau gewesen, die mit mir gestritten hatte. Das überraschte mich nicht. Ich schüttelte nur den Kopf. Manche lernen es einfach nie.
An diesem Tag erzählte mir Lisa außerdem von einer Touristin, die sehr unter etwas litt, was JoJo betraf, und mit der ich unbedingt reden sollte. Sie habe die letzten Tage immer weinend unter einer Palme gesessen.
Tatsächlich fand ich sie genau da, wo Lisa gesagt hatte. Sie saß mit um die Knie verschränkten Armen da und die Tränen kullerten ihr übers Gesicht. Sie mochte Anfang dreißig sein, ihr kastanienbraunes Haar umrahmte ein rundes Gesicht, das einem fröhlichen Buddha hätte gehören können, wären da nicht die schnüffelnde Nase und die bebende Oberlippe gewesen. Ich fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei.
»Sind Sie der Mann, der sich um JoJo kümmert?«, vergewisserte sie sich.
Als ich nickte, erzählte sie, es sei etwas passiert, was sie nicht verstehen könne. Sie war hergekommen, um JoJo kennenzulernen. Sie wollte so gern mit ihm in Verbindung treten, mit ihm meditieren.
»Ich habe nichts getan, was ihn provozieren könnte, wirklich nicht.«
Ich glaubte ihr und forderte sie auf zu erzählen.
»Ich habe mich einfach langsam neben ihm treiben lassen, ganz ruhig, immer auf Wahrung seiner Grenzen bedacht. Keine schnellen Bewegungen, nichts Bedrohliches. Und dann schlägt er mich plötzlich richtig fest mit dem Schwanz.« Sie unterbrach und wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Und weiter?«
»Ich versteh das einfach nicht. Ich habe diese Reise unternommen, um mit einem der schönsten und spirituellsten Wesen überhaupt zu schwimmen, und dann das. Es tut so furchtbar weh.«
Ich wusste, dass JoJo nie von sich aus auf einen Menschen zuschwimmen würde, um ihm Schläge zu versetzen. Wahrscheinlich war die Frau ihm doch zu nahe gekommen.
»JoJo hatte eine schlimme Verletzung«, erklärte ich ihr, »und war in letzte Zeit sehr auf Distanz bedacht.«
»War meine Energie irgendwie falsch platziert?«, fragte sie.
»Also, selbst bei bester Gesundheit kann es sein, dass sich JoJo nicht gern über längere Zeit mit Blicken fixieren lässt. Er reagiert dann wie Leute, die sich angestarrt fühlen, ärgerlich.«
»Aber ich bin doch so vorsichtig auf ihn zugegangen«, sagte sie und runzelte ratlos die Stirn. »Ich war die ganze Zeit in einer völlig ruhigen meditativen Verfassung.«
»Seine Reaktion hat nichts mit Ihrer spirituellen Verfassung zu tun«, erklärte ich. »Er wollte sicher einfach allein sein. Vielleicht hat er Sie geschlagen, weil er sich von zu viel Blickkontakt bedrängt fühlte.« Dass sich JoJo wahrscheinlich aus ihren romantischen Vorstellungen von gemeinsamer Meditation nicht viel machte, ließ ich lieber unerwähnt.
Vielen Menschen ist nicht klar, dass Delfine und andere Tiere genauso eine Persönlichkeit besitzen wie sie selbst. Sie haben gute Tage und schlechte. Da genügt es nicht, JoJo als Wildtier zu respektieren. Man muss ihn als ein Lebewesen mit ganz eigenem Charakter sehen und schätzen lernen, dessen Stim mungen wechseln können wie das mit der Strömung fächelnde Schildkrötengras.
Es war wohl nicht der Schlag selbst, der diese Frau so wurmte, sondern seine Bedeutung für das, was sie als ihren spirituel len Weg sah. Sie hatte sich seelenvolle Blicke von JoJo erwartet, die ihr zu einem tieferen Verständnis des Kosmos verhelfen sollten. Und stattdessen hatte ihr dieser »ganzheitliche spirituelle Führer« eins auf die Birne gegeben.
Ich versuchte ihr den Gedanken nahezubringen, dass dieses Zeichen, das sie aus der
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