JoJo Und Ich
physischen Welt empfangen hatte, womöglich auch spirituell von Bedeutung war.
»Sie können durchaus mit JoJo kommunizieren, ohne sich ihm körperlich zu nähern«, begann ich behutsam. »Ich tue das auch, sogar im Traum.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht können Sie es auch.«
»Glauben Sie wirklich?«, fragte sie und wischte sich eine letzte Träne aus dem Augenwinkel.
»Aber ja. Lassen Sie einfach Ihr Bewusstsein ganz weit werden. Und sehen Sie ihn mit dem inneren Auge.«
Jetzt blickte sie mir ins Gesicht und lächelte. Sie hatte offenbar sofort verstanden. Und ich bin zuversichtlich, dass sie etwas von bleibendem Wert gelernt hatte.
Nicht nur Amerikaner zeigten Interesse an JoJo. Bald erschienen auch in den Zeitungen anderer Länder Berichte über den einzeln lebenden und die Gesellschaft des Menschen suchenden Delfin, die durchaus den Tatsachen entsprachen. Nach dem ersten Zustrom von Schaulustigen, die sich von marktschreierischen Berichten hatten anlocken lassen, die in der US-amerikanischen Presse erschienen waren, empfing ich zu meiner Erleichterung auch erste Briefe von Menschen, die JoJo als echtes Wildtier erkannt hatten. In einem dieser Schreiben hieß es: »Ich hoffe, es geht JoJo wieder besser. Als ich dort war, hat er gerade Antibiotika von Ihnen bekommen. Und wenn ich wieder einmal nach Providenciales kommen kann, freue ich mich schon auf JoJo.«
Dieser Brief und andere, die ich in der Zeit von JoJos Krankheit bekam, riefen mir in Erinnerung, dass JoJo nicht immer da sein würde. Die lange Folge von Tagen in einer Meerlandschaft von solcher Schönheit und heiteren Beschaulichkeit wiegten mich in einer Sicherheit, die es in Wirklichkeit nicht gab. In dieser noch weitgehend naturbelassenen Umgebung kann jeden Tag etwas Endgültiges passieren, und dieser Gedanke machte mir JoJos Dasein noch wertvoller.
* * *
Ich fiel aus allen Wolken, als ich ein Fax der Regierung der Turks- und Caicosinseln an einen leitenden Hotelmanager ge zeigt bekam, in dem es hieß, JoJo müsse eingefangen werden und bis zu seinem Lebensende in Gefangenschaft bleiben. Hatten diese Leute überhaupt eine Ahnung von den Folgen, die ein solcher Plan haben würde? Zwar kämen dann künftig weniger Gerichtsverfahren auf das Hotel zu, aber JoJo würde lernen müssen, sich wie ein Zootier zu benehmen, wenn er etwas zu essen haben wollte. Er würde abhängig sein und bis zu seinem Tod in einem Becken dümpeln müssen. Das freie Leben im offenen Meer wäre bald nur noch eine ferne Erinnerung.
Und den Delfin, den ich kannte, würde es nie mehr geben.
Als ich von diesem Plan und anderen sogenannten Lösungen des »JoJo-Problems« erfuhr, hatte ich seinetwegen ohnehin schon schlaflose Nächte. Dass jemand allen Ernstes auf die Idee kommen könnte, ihn ganz aus seinem natürlichen Umfeld herauszureißen, hätte ich allerdings nicht gedacht. Er war ein ausgewachsener frei lebender Delfin, und dieses Gewässer war seine Heimat. Andererseits war mir natürlich auch bewusst, dass der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen der Inseln ist.
Wenn sich die Menschen gegen JoJo verschworen, sah es wirklich nicht gut für ihn aus. Aber warum eigentlich sollte die missliche Lage nicht auch dazu dienen können, auf den Inseln ein Bewusstsein für diese Dinge zu wecken? Man brauchte dafür nur einen zugkräftigen Plan, und vielleicht würde sich JoJos Schicksal dann doch noch wenden lassen. Kein Zweifel, es war an der Zeit, mich zum Kampf zu rüsten.
Dieser Kampf, das wusste ich, barg Risiken und konnte viele Querelen mit sich bringen. Meine Gegner hatten nur ihren Profit im Sinn, und darin waren sie auch noch höchst wider sprüchlich: JoJo kurbelte den Tourismus an, das war erwünscht; er wurde zum Anlass für Schadensersatzforderungen, das war nicht erwünscht.
In schönster Unverblümtheit sagte einer der ausgesprochen teuer gekleideten Manager einmal zu mir: »Es ist Zeit, dass JoJo erlegt wird, verhindern lässt es sich ja doch nicht. Sie werden schließlich nicht immer da sein, um auf ihn aufzupassen.«
Das erschütterte mich zutiefst, zumal ich wusste, dass seine Firma einen riesigen Prozess am Hals hatte, weil sie mit JoJo geworben hatte und ein Urlaubsgast durch eine von JoJos Abwehrmaßnahmen erheblich zu Schaden gekommen war.
Mir war klar, dass ich Hilfe brauchen würde, ich konnte nicht überall gleichzeitig sein.
So aufgewühlt, voller Sorgen und allein auf weiter Flur tat ich das in dieser Lage
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