JoJo Und Ich
Monate Zeit.
»JoJo«, sagte ich, »jetzt wird dein Erinnerungsvermögen auf die Probe gestellt. Wirst du mich überhaupt noch erkennen, wenn ich zurückkomme? Aber ja, ganz bestimmt wirst du das. Doch falls nicht, kann ich dir jetzt schon verraten, dass dein Freund darüber ziemlich gekränkt sein wird.«
Ich bereiste die Nordostküste der Vereinigten Staaten und besuchte jedes Delfinarium, jedes Forschungszentrum für Meeressäuger. Das Gleiche tat ich dann entlang der kalifornischen Küste und schließlich auch in Florida.
Viele Forscher und Trainer, die mir auf diesem langen Weg begegneten, beneideten mich um die Chance, Erfahrungen mit einem einzeln lebenden Delfin zu sammeln. Sie steuerten gute Ideen zum Aufbau eines Hilfsprojekts für JoJo bei und versorgten mich mit den neuesten Veröffentlichungen über wilde und in Gefangenschaft lebende Delfine. Wie nicht anders zu erwarten, war die Ausbeute bei den wild lebenden Delfinen eher dürftig. Zumindest aber hatte ich jetzt den Grundstock zu einer Delfin-Bibliothek, aus der vielleicht eines Tages eine internationale Forschungseinrichtung werden konnte.
Viele meiner Fragen über die Verhaltensweisen wilder Delfine blieben jedoch unbeantwortet. Für meine Art des Umgangs mit JoJo gab es keine Beispielfälle, und überhaupt war nur sehr wenig über einzeln lebende wilde Delfine bekannt. Ich stellte den Fachleuten Fragen, die von meinen unmittelbaren Beobachtungen ausgingen, doch wie sich herausstellte, sind viele von JoJos Verhaltensweisen und Intelligenzleistungen an domestizierten Delfinen einfach nicht zu beobachten. Meiner Einschätzung nach liegt das am eintönigen Lebensumfeld der in Gefangenschaft lebenden Delfine, das einem akustisch orientierten Tier einfach viel zu wenig Anregung bietet. Kurzum, meine Ausbeute war enttäuschend.
In den meisten Aquarien werden die Delfine gut versorgt und knüpfen enge Beziehungen zu ihren Trainern, von denen sie auch gefüttert werden. Solche Beziehungen sind oft von ähnlicher Art wie unsere Beziehungen zu Haustieren. Diese Delfine können antrainierte Kunststücke vorführen und halten still, wenn sie tierärztlich untersucht werden. Aber alle Delfine, die ich beobachtet habe, waren ganz anders als JoJo. Sie zeigten kaum je ein nicht antrainiertes Verhalten oder ein ganz eigenes Interesse an Fremden. Es gab zwar Interaktion, aber die sah anders aus als bei JoJo. Von sich aus waren diese Delfine offenbar nur am Spiel mit Artgenossen und an den Fütterungen interessiert. Den Blickkontakt, den JoJo immer hielt, habe ich an diesen Delfinen nicht beobachtet. Dafür beobachteten sie meine Hände genau und erwarteten offenbar Signale und Belohnungshäppchen. Zwischen diesen Delfinen und JoJo konnte ich nur ganz grundsätzliche Verhaltensähnlichkeiten ausmachen. Im Unterschied zu ihnen besaß er vollkommene Bewegungsfreiheit, und Nahrungszuwendungen oder Nahrungsentzug spielten in seinen Beziehungen zu Menschen überhaupt keine Rolle.
Niemand, die Trainer eingeschlossen, wusste, wie JoJo Verhaltenseigentümlichkeiten hatte ausbilden können, die es bei Delfinen in Gefangenschaft einfach nicht gab. Und da ich nur ihn als wild lebenden Delfin kannte, wusste ich nicht einmal, ob sein Verhalten repräsentativ für alle wilden Delfine und ihren normalen Umgang innerhalb einer Schule war. Da wurde mir klar, dass Gespräche mit Delfintrainern für meinen Informationsbedarf eigentlich nichts brachten. Die Forschung auf dem Gebiet wild lebender Delfine steckte noch in den Kinderschuhen, und das galt für allein lebende Exemplare noch mehr als für ihr Verhalten in Schulen.
Natürlich mussten JoJos Antriebe ganz andere sein als bei Delfinen in Becken. Er ernährte sich selbst und bestimmte ganz allein über die Art seines Umgangs mit Menschen. Ich musste einfach fragen und forschen, fragen und forschen und so allmählich eine Datensammlung zum Delfinverhalten zusammentragen. Dabei halfen mir interessanterweise wieder einmal die Kinder.
Meine Freundin Laurie war Lehrerin an einer kalifornischen Grundschule. Im Laufe einiger Monate hatte ich mehrere Briefe von ihr bekommen, in denen sie mich bat, etwas für ihre Schüler zu schreiben und Fotos von JoJo beizulegen. Das tat ich sehr gern und besuchte diese Schule später auch, um den Kindern von JoJo zu erzählen. Sie arbeiteten damals an einem Klassenprojekt über Delfine. Laurie lud mich ein, weil sie fand, es gebe für die Kinder doch sicher keine bessere Einführung in das Thema
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