Joli Rouge (German Edition)
gelten.
Obwohl im Dienste von Modyford, nutzt er dabei noch immer
den Kaperbrief, den er einst von dessen Vorgänger, Lord
Windsor, erhielt. Er ist sehr beharrlich und willensstark.
Viele Männer wissen das zu schätzen.«
Der Baske spuckte aus. »Hört, hört«, knurrte er. »Ihr
könnt nicht leugnen, dass Eurer Stimme die Bewunderung
anzuhören ist!«
Bigford zog den Kopf ein und Pierre grinste.
»Wenn der Leitrüde in seinem Rudel eines Tages auf einen
mächtigeren Rüden trifft, dann erkennt er entweder seine
Unterlegenheit an und folgt dem Stärkeren, oder er kämpft
und wird aus dem Rudel vertrieben.« Michel Le Basque
fixierte die beiden Männer an seiner Seite. »Welches
Verhalten ist das klügere,
messieurs
?“
Bigford starrte angestrengt zu Boden, während Pierre den
Blick des Basken offen erwiderte.
»Es kommt darauf an, welche Stärke Ihr in Euch selbst
tragt«, antwortete er.
Die Mundwinkel des Basken zuckten kurz. »Das sehe ich
ebenso, Picard.«
Er hieb ihm kräftig auf die Schulter und ging mit
energischen Schritten davon. Bigford sah ihm nach. Er war
kalkweiß im Gesicht.
»Was hatte das zu bedeuten?«, fragte er.
Pierre kratzte sich das Kinn. »Er wird L’Olonnais folgen«,
antwortete er und fügte auf Bigfords ratlosen Blick hinzu:
»Ein schlauer Rüde folgt dem Stärkeren widerstandslos, um im
Folgenden seine Schwächen herauszufinden und sie
auszunutzen. Macht der neue Rüde einen Fehler, schwingt sich
der alte wieder zum Leitrüden auf.«
Bigford sah ihn verwirrt an. »Ist das ein Gleichnis der
Bukaniere? Was hat das mit Henry Morgan zu tun?«
»Wäre ich der Baske, wäre mir daran gelegen, dass die
Brüder in Cayone bleiben und nicht nach Port Royal
abwandern. Gleichgültig, wem sie folgen. Selbst, wenn dieser
neue Anführer L’Olonnais heißt.«
»Er schließt sich L’Olonnais an, um zu verhindern, dass
Henry Morgan und damit die Engländer an Stärke gewinnen. Ein
selbstloser Plan.« Bigford legte den Kopf schief. Er sah
aus, als müsse er sich gleich übergeben. Pierre trat einen
Schritt zurück, doch der Engländer fing sich wieder.
»Werdet Ihr L’Olonnais weiterhin folgen?« fragte er.
»Ich bin mir nicht sicher.« Pierres Blick wanderte zu
Jacquotte, bevor er sich zwang, Bigford anzusehen.
Dieser rülpste. »Bisweilen befiehlt einem das Herz, wem
man zu folgen hat«, sinnierte er. Pierre spannte die
Muskeln, aber Bigford schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Seid unbesorgt«, flüsterte er.
Als sich Männer aus Pierres Mannschaft näherten, wurde
seine Stimme lauter: »Mein Beileid zum Ableben Eures
Gefolgsbruders!«
Ihre Augen verhakten sich für den Bruchteil einer Sekunde,
bevor Bigford davonging. Pierre entspannte sich und
verfolgte mit teilnahmslosem Gesichtsausdruck das Stapeln
der Leichen auf den maroden Barken. Mit Remis Tod hatte er
die Welt verraten, die er kannte.
Kapitel 11
Bayahá, La Española, Herbst 1666
Der Abendwind wehte schwach aus östlicher Richtung und
brachte den Geruch von verfaultem Fisch mit. Jacquotte ließ
ihren Blick über den Hafen von Bayahá schweifen und zügelte
ihre Ungeduld. Am liebsten wäre sie auf der Stelle
davongesegelt, aber es fehlten noch einige Schiffe, die am
Überfall auf Maracaibo und Gibraltar teilgenommen hatten.
Die Kapitäne wollten in geschlossener Formation die Île de
la Tortue anlaufen, um Bertrand D’Ogeron zu beeindrucken. Es
hieß, dass er bereits die nächste Kaperfahrt plante, die
seine siegreichen Kapitäne nach Nicaragua führen sollte, um
weitere Dörfer und Städte der Spanier zu plündern. Wie
vorherzusehen war, hatte der Sieg über Maracaibo die Gier in
dem ansonsten so bedachten D’Ogeron geweckt. Die Nachricht,
dass Silber und Juwelen im Wert von
zweihundertsechzigtausend Achterstücken sowie noch einmal so
viel an Leinwand, Seidenwaren, Kakao und Sklaven kurz davor
waren, Cayone zu erreichen, war Argument genug für D’Ogeron,
den nächsten Coup vorzubereiten. Bislang war unklar, wen er
für diese Mission als Anführer aufzustellen gedachte, aber
Jacquotte glaubte, dass seine Wahl auf L’Olonnais fallen
würde. Die Erstürmung von Gibraltar verbuchte man gemeinhin
unter seinem zielstrebigen Vorgehen, und sie hoffte, dass
sein neues Ansehen ihn davon ablenkte, ihr nachzustellen und
seine Belohnung einzufordern. Zu lange hatte sie ihn bereits
hingehalten. Sie kam nicht umhin, schnellstmöglich
aufzubrechen, um sich ihm ein
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