Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
Vom Netzwerk:
Schal, seine Handschuhe, setzte seinen Hut auf und stapfte los durch die verschneiten Straßen zu dem Ort, den Mr. Norrell für die Wunder dieses Tages bestimmt hatte – die Kathedrale von York.
    Ich hoffe, dass meine Leser alle eine alte englische Stadt mit einer Kathedrale kennen, wenn nicht, so fürchte ich, dass ihnen die Bedeutung der Wahl eines solchen Orts entgehen wird. Man muss wissen, dass in einer alten Stadt die große alte Kirche nicht ein Gebäude unter vielen ist; es ist das Gebäude schlechthin -deutlich unterschieden von allen anderen in Größe, Schönheit und Bedeutsamkeit. Auch in modernen Zeiten, da jede alte Stadt mit eleganten städtischen Gebäuden, mit Versammlungsräumen und Treffpunkten (und davon gab es in York genug) ausgestattet ist, überragt die Kathedrale alles – Zeugin der Frömmigkeit unserer Vorfahren. Es ist, als würde die Stadt in sich etwas enthalten, was größer ist als sie. Wenn man in dem Durcheinander enger Straßen seinen Geschäften nachgeht, verliert man die Kathedrale aus dem Blick, aber dann öffnet sich die Stadt, und plötzlich ist sie wieder da, um vieles größer und bedeutender als jedes andere Bauwerk, und man merkt, dass man in das Herz der Stadt vorgedrungen ist und dass alle Straßen und Gassen darauf zuführen, an einen Ort, der viel tiefere Geheimnisse birgt als alle, die Mr. Norrell kannte. Das waren Mr. Segundus' Gedanken, als er den Kirchhof betrat und im blauen Schatten der großen grüblerischen Westfassade stehen blieb. Dann segelte Dr. Foxcastle amtlich um die Ecke wie ein dickes schwarzes Schiff. Als er Mr. Segundus sah, steuerte er auf ihn zu und entbot ihm einen guten Morgen.
    »Vielleicht, Sir«, sagte Dr. Foxcastle, »könnten Sie so freundlich sein, mich Mr. Norrell vorzustellen? Er ist ein Herr, den ich sehr gerne kennen lernen würde.«
    »Nichts lieber als das, Sir«, sagte Mr. Segundus und schaute sich um. Das Wetter hielt die meisten Leute zu Hause fest, und nur ein paar dunkle Gestalten stapften über die weiße Wiese vor der großen grauen Kirche. Bei genauerer Betrachtung waren sie als Mitglieder der Gilde von York zu erkennen oder als Geistliche und Kirchenbedienstete – Küster und Kirchendiener, Chorleiter, Provoste, Querschiffkehrer und ähnliche Personen –, die von ihren Vorgesetzten in den Schnee hinausgeschickt wurden, um sich um die Belange der Kirche zu kümmern.
    »Nichts wäre mir lieber, Sir«, wiederholte Mr. Segundus, »aber ich kann Mr. Norrell nicht sehen.« Aber da war jemand.
    Jemand stand allein im Schnee direkt vor der Kathedrale. Ein dunkler Jemand, ein nicht ganz achtbarer Jemand, der Mr. Segundus und Dr. Foxcastle mit großem Interesse betrachtete. Sein fransiges Haar hing ihm um die Schultern wie ein schwarzer Wasserfall; er hatte ein kräftiges schmales Gesicht – etwas darin war verdreht wie eine Baumwurzel – und eine lange schmale Nase; und obwohl seine Haut sehr blass war, wirkte das Gesicht doch dunkel – vielleicht lag es an den dunklen Augen oder an den langen, schwarzen, fettigen Haaren, die es umgaben. Nach einem Augenblick näherte sich diese Person den beiden Zauberern, verbeugte sich flüchtig vor ihnen und sagte, er hoffe, sie würden ihm vergeben, dass er sie anspreche, aber sie seien ihm als Herren genannt worden, die aus demselben Grund wie er hier seien. Er stellte sich als John Childermass vor und erklärte, er sei Mr. Norrells Verwalter für bestimmte Angelegenheiten (führte diese Angelegenheiten jedoch nicht weiter aus).
    »Mir scheint«, sagte Mr. Segundus nachdenklich, »ich kenne Ihr Gesicht. Ich glaube, ich habe Sie schon einmal gesehen, nicht wahr?«
    In Childermass' dunklem Gesicht bewegte sich etwas, aber es war sofort wieder verschwunden, und es war unmöglich zu sagen, ob es ein Stirnrunzeln oder ein Lachen gewesen war. »Ich bin für Mr. Norrell oft in York, der Geschäfte wegen, Sir. Vielleicht haben Sie mich in einer der Buchhandlungen der Stadt gesehen?«
    »Nein«, sagte Mr. Segundus. »Ich habe Sie gesehen ... Ich sehe Sie vor mir ... Wo? ... Ach, gleich wird es mir wieder einfallen.«
    Childermass zog eine Augenbraue in die Höhe, als wollte er zum Ausdruck bringen, dass er das sehr bezweifle.
    »Aber Mr. Norrell wird doch gewiss selbst kommen?«, sagte Dr. Foxcastle.
    Childermass bat Dr. Foxcastle um Verzeihung, aber er glaube nicht, dass Mr. Norrell kommen werde; er glaube nicht, dass Mr. Norrell einen Grund zum Kommen sehe.
    »Ah!«, rief Dr. Foxcastle, »dann

Weitere Kostenlose Bücher