Jonathan Strange & Mr. Norrell
Geplapper der Frauen, das die Herren der Gilde von York angeblich so verachteten, das in Wirklichkeit jedoch den leisen süßen Refrain in der Musik ihres Alltags bildete, war nicht zu hören. Und die Frühstückszimmer, in denen diese Herren saßen, waren anders als am Tag zuvor. Die winterliche Düsternis war verschwunden, stattdessen herrschte ein beängstigendes Licht – die Wintersonne, die von der schneebedeckten Erde vielmals reflektiert wurde. Auf dem weißleinenen Tischtuch lag ein blendendes Licht. Die Rosenknospen auf den hübschen Kaffeetassen der Tochter schienen nahezu dann zu tanzen. Die silberne Kaffeekanne der Nichte warf die Sonnenstrahlen zurück, und die lächelnden Porzellanschäferinnen der Schwiegertochter waren zu strahlenden Engeln geworden. Es war, als wäre der Tisch mit elfischem Silber und Kristall gedeckt.
Mr. Segundus steckte den Kopf aus einem Fenster im dritten Stock in Lady Peckitt's Yard und dachte, dass Mr. Norrell vielleicht bereits gezaubert und die Stadt verwandelt habe. Er hörte ein ominöses Grollen über sich und zog rasch den Kopf zurück, um eine plötzliche Dachlawine zu meiden. Mr. Segundus hatte weder Diener noch Frau, Schwester, Tochter, Schwiegertochter oder Nichte, aber Mrs. Pleasance, seine Vermieterin, war eine Frühaufsteherin. Während der letzten zwei Wochen hatte sie ihn oft über seinen Büchern seufzen gehört und gehofft, ihn mit einem Frühstück, bestehend aus zwei frisch gebratenen Heringen, Tee und frischer Milch sowie Weißbrot und Butter auf einem blauweißen Porzellanteller, aufheitern zu können. Mit demselben edelmütigen Ziel vor Augen, setzte sie sich zu ihm, um mit ihm zu reden. Als sie bemerkte, wie verzagt er war, rief sie: »Oh! Ich habe nichts übrig für diesen alten Mann.«
Mr. Segundus hatte Mrs. Pleasance nicht erzählt, dass Mr. Norrell alt war, und doch war sie davon überzeugt. Aus dem, was Mr. Segundus ihr erzählt hatte, schloss sie, dass er eine Art Geizhals sein müsse, der Zauberei statt Gold hortete, und während unsere Geschichte voranschreitet, wird der Leser die Gelegenheit haben, die Richtigkeit dieser Vorstellung von Mr. Norrells Charakter selbst zu beurteilen. Wie Mrs. Pleasance stelle ich mir Geizhälse immer alt vor. Ich weiß nicht warum, da es gewiss ebenso viele junge Geizhälse wie alte gibt. Ob Mr. Norrell nun alt war oder nicht – er gehörte zu den Menschen, die schon mit siebzehn alt sind.
Mrs. Pleasance fuhr fort: »Als Mr. Pleasance noch lebte, sagte er immer, dass niemand in York, kein Mann und keine Frau, Brot backt, das es mit meinem aufnehmen kann, und auch andere waren so freundlich und sagten, dass sie noch nie im Leben so gutes Brot gegessen hätten. Aber ich habe immer gut gekocht, weil es mir gefällt, etwas gut zu machen, und wenn einer dieser wunderlichen Geister aus den arabischen Märchen jetzt aus dieser Teekanne fahren und mir drei Wünsche gewähren würde, dann wäre ich hoffentlich nicht so boshaft, andere Leute vom Brotbacken abhalten zu wollen – und wenn ihr Brot so gut wie meins ist, dann tut es mir auch nicht weh, und für sie ist es besser. Kommen Sie, Sir, probieren Sie ein Stück«, sagte sie und schob ihrem Mieter den Teller mit dem gefeierten Brot hin. »Ich möchte nicht mit ansehen, wie Sie vom Fleisch fallen. Die Leute werden sagen, dass Hettie Pleasance ihr Geschick als Hausfrau verloren hat. Ich wünschte, Sie wären nicht so niedergeschlagen, Sir. Sie haben das heimtückische Dokument nicht unterschrieben, und wenn die anderen Herren werden aufgeben müssen, werden Sie weitermachen können, und ich hoffe inständig, Mr. Segundus, dass Sie große Dinge entdecken werden, und dann wird dieser Mr. Norrell, der sich selbst für so schlau hält, Sie mit Freuden als Kompagnon aufnehmen und seinen albernen Stolz bereuen.«
Mr. Segundus lächelte und dankte ihr. »Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Meine größte Schwierigkeit besteht in meinem Mangel an Mitteln. Ich selbst habe nur sehr wenig, und wenn die Gilde aufgelöst wird, dann weiß ich nicht, was mit ihren Büchern geschieht, aber ich bezweifle, dass sie mir zufallen werden.« Mr. Segundus aß das Brot (das so gut war, wie der verstorbene Mr. Pleasance und seine Freunde behauptet hatten) und die Heringe und trank etwas Tee. Ihre Macht, ein bekümmertes Herz zu trösten, war größer, als er gedacht hatte, denn er fühlte sich ein bisschen besser und gestärkt, und er zog seinen Überzieher an, seinen dicken
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