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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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gibt er sich also geschlagen, nicht wahr? Nun gut. Armer Mann. Er muss sich sehr dumm vorkommen, vermute ich. Nun ja. Es war jedenfalls ein edler Versuch. Wir tragen es ihm nicht nach, dass er den Versuch unternommen hat.« Dr. Foxcastle war sehr erleichtert, dass er nicht Zeuge von Zauberei werden würde, und das machte ihn großzügig.
    Childermass bat Dr. Foxcastle abermals um Verzeihung; er befürchte, dass Dr. Foxcastle ihn missverstanden habe. Mr. Norrell würde gewiss zaubern, und zwar in Hurtfew Abbey, und die Ergebnisse würden in York zu sehen sein. »Gentlemen«, sagte er zu Dr. Foxcastle, »verlassen nicht gern ihren gemütlichen Kamin, wenn es nicht sein muss. Ich nehme an, Sir, wenn Sie die Ergebnisse von Ihrem Wohnzimmer aus sehen könnten, dann würden Sie nicht hier in der Kälte und Nässe stehen.«
    Dr. Foxcastle schnappte nach Luft und bedachte John Childermass mit einem Blick, der besagte, dass er John Childermass für überaus dreist hielt.
    Childermass schien Dr. Foxcastles Einschätzung seiner Person nicht zu betrüben, im Gegenteil, sie schien ihn zu amüsieren. »Es ist an der Zeit, meine Herren«, sagte er. »Sie sollten sich in die Kirche begeben. Sie würden es gewiss bedauern, wenn Sie etwas versäumten, wo doch so viel auf dem Spiel steht.«
    Es war zwanzig Minuten nach der vollen Stunde, und die Herren der Gilde von York betraten die Kathedrale einer nach dem anderen durch das Portal im südlichen Querschiff. Manche blickten sich um, bevor sie eintraten, als wollten sie sich ein letztes Mal von einer Welt verabschieden, von der sie nicht wussten, ob sie sie wiedersehen würden.
KAPITEL 3
Die Steine von York
Februar 1807
    Eine große alte Kirche mitten im Winter ist selbst im besten Falle ein bedrückender Ort; die Kälte von hundert Wintern scheint in den Steinen gespeichert und daraus zu sickern. Die Herren der Gilde von York mussten stehend im kalten, feuchten, zwielichtigen Inneren der Kathedrale darauf warten, erstaunt zu werden, ohne die Gewissheit, dass die Überraschung, wenn sie denn eintrat, eine angenehme sein würde.
    Mr. Honeyfoot versuchte, seine Freunde fröhlich anzulächeln, aber für einen Mann, der in der Kunst, freundlich zu lächeln, so geübt war wie er, war es ein sehr armseliger Versuch.
    Die Glocken begannen zu läuten. Es waren wie immer die Glocken von St.-Michael-le-Belfrey, die die halbe Stunde läuteten, aber im Kircheninneren klangen sie merkwürdigerweise wie aus weiter Entfernung, wie aus einem anderen Land. Es war überhaupt kein freundliches Geräusch. Die Herren der Gilde von York wussten sehr wohl, dass Glockenläuten oft zusammen mit Zauberei auftrat, insbesondere mit der Zauberei dieser unirdischen Wesen, den Elfen; sie wussten, dass in den alten Zeiten oft silberne Glöckchen bimmelten, wenn ein Engländer oder eine Engländerin von besonderer Tugendhaftigkeit oder Schönheit von Elfen entführt wurde, um für immer in fremden, geisterhaften Ländern zu leben. Sogar der Rabenkönig – der kein Elf war, sondern ein Engländer – hatte die bedauerliche Angewohnheit, Männer und Frauen in sein Schloss in den Anderen Landen zu entführen 9 . Wenn Sie und ich die Macht hätten, durch Zauberei ein uns gefälliges menschliches Wesen zu rauben und auf alle Zeit bei uns zu behalten, und wenn wir die freie Wahl hätten, dann nehme ich an, dass unsere Wahl auf jemanden fallen würde, der bezaubernder wäre als die Mitglieder der Gelehrten Gilde der Zauberer von York, aber dieser tröstliche Gedanke kam den Herren in der Kathedrale von York nicht, und ein paar von ihnen begannen sich zu fragen, wie sehr Dr. Foxcastles Brief Mr. Norrell erbost hatte, und ihnen wurde ernsthaft angst und bange.
    Als die Glocken verstummt waren, erhob sich irgendwo hoch oben in den dämmrigen Schatten über ihren Köpfen eine Stimme. Die Zauberer mühten sich, sie zu verstehen. Viele von ihnen befanden sich mittlerweile in einem Zustand so hochgradiger Nervosität, dass sie glaubten, ihnen würden wie in einem Märchen Anweisungen gegeben oder vielleicht geheimnisvolle Verbote auferlegt. Solche Anweisungen und Verbote sind zwar für gewöhnlich etwas sonderbar, das wussten die Zauberer aus Märchen, aber nicht schwer einzuhalten – so scheint es zumindest auf den ersten Blick. In der Regel lauten sie ungefähr folgendermaßen: »Iss nicht die letzte kandierte Pflaume im blauen Becher im Eckschrank.« Oder: »Schlag deine Frau nicht mit einem Stock aus Wermutholz.« Und doch

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