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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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der Erhabenheit von Schloss Windsor.«
    Oben an der Treppe wandte er sich nach rechts und schritt rasch durch einen Saal, dessen Wände mit Schwertern und Pistolen behangen waren. Strange folgte ihm. Dann betraten sie einen langen und hohen Saal, der zwei- oder dreihundert Fuß lang war.
    »Da sind wir!«, sagte der Diener so zufrieden, als hätte er selbst ihn erbaut und ausgestattet.
    Durch große Spitzbogenfenster in der südlichen Wand strömte das kalte neblige Licht herein. Die untere Hälfte der Wände war mit Birnenholz getäfelt und die Paneele waren mit vergoldeten Schnitzereien eingefasst. Die obere Hälfte der Wände und die Decke waren bemalt mit Göttern und Göttinnen, Königen und Königinnen. Auf der Decke war zu sehen, wie Charles II. auf einer blauweißen Wolke zu ewigem Ruhm aufstieg, umgeben von dicken rosa Cherubim. Generäle und Diplomaten legten ihm Trophäen zu Füßen, während Julius Cäsar, Mars, Herkules und weitere bedeutende Persönlichkeiten verlegen daneben standen, weil ihnen urplötzlich die beschämende Überlegenheit des britischen Königs klar geworden war.
    All das war sehr prächtig, aber das Gemälde, das Stranges Aufmerksamkeit erregte, war eine riesige Wandmalerei, die sich über die gesamte Länge der Nordwand erstreckte. In der Mitte saßen zwei Könige auf zwei Thronen. Daneben standen oder knieten Ritter, Damen, Höflinge, Pagen, Götter und Göttinnen. Die linke Hälfte der Malerei war in Sonnenlicht getaucht. Der König auf dieser Seite war ein starker, schöner Mann mit der Vitalität der Jugend. Er war in eine helle Robe gekleidet, sein Haar war golden und gelockt. Er trug einen Lorbeerkranz auf dem Haupt und hielt ein Zepter in der Hand. Die Menschen und Götter, die ihm zur Seite standen, waren mit Helmen, Brustharnischen, Speeren und Schwertern ausgestattet, als habe der Künstler darauf hinweisen wollen, dass dieser König nur die kriegerischsten Männer und Götter zu Freunden hatte. Auf der rechten Seite wurde das Bild dunkler und dämmriger, als habe der Maler eine sommerliche Abenddämmerung darstellen wollen. Um und über den Figuren funkelten Sterne. Der König auf dieser Seite war blass und dunkelhaarig. Er trug eine schwarze Robe, und sein Ausdruck war unergründlich. Auf seinem Haupt befand sich eine Krone aus dunklen Efeuranken, und in der linken Hand hielt er einen dünnen Stab aus Elfenbein. Seine Entourage bestand überwiegend aus magischen Gestalten: ein Phönix, ein Einhorn, ein Mantikor, Faune und Satyrn. Aber auch aus ein paar geheimnisvollen Personen: eine männliche Gestalt in einer Mönchskutte, die Kapuze ins Gesicht gezogen, eine weibliche Gestalt in einem dunklen, sternenbesetzten Umhang, die den Arm vor die Augen hielt. Zwischen den Thronen stand eine junge Frau in einem weiten weißen Gewand mit einem goldenen Helm auf dem Kopf. Der kriegerische König hatte ihr die linke Hand beschützend auf die Schulter gelegt; der dunkle König streckte ihr die rechte Hand hin, und sie hatte die Linke erhoben, so dass sich ihre Fingerspitzen leicht berührten.
    »Das ist ein Werk von Antonio Verro, einem Italiener«, sagte der Diener. Er deutete auf den linken König. »Das ist Edward III. vor Südengland.« Er deutete auf den rechten König. »Und das ist der Zauberer-König von Nordengland, John Uskglass.«
    »Tatsächlich?«, sagte Strange höchst interessiert. »Ich habe selbstverständlich Statuen von ihm gesehen. Und Stiche in Büchern. Aber ich glaube nicht, dass ich ihn je zuvor gemalt gesehen habe. Und die Dame zwischen den beiden Königen, wer ist sie?«
    »Das ist Mrs. Gwynne, eine der Mätressen von Charles II. Sie soll Britannia darstellen.«
    »Ich verstehe. Es ist nicht zu unterschätzen, dass John Uskglass noch immer einen Ehrenplatz im Haus des Königs innehat. Aber andererseits haben sie ihn römisch gekleidet und lassen ihn Händchen mit einer Schauspielerin halten. Ich frage mich, was er dazu sagen würde.«
    Der Diener führte Strange zurück durch den waffenstrotzenden Saal zu einer schwarzen Tür von beeindruckender Größe, über der ein großer Marmorgiebel aus der Wand ragte.
    »Weiter kann ich Sie nicht bringen, Sir. Mein Zuständigkeitsbereich endet hier, und der der Doktoren Willis beginnt. Sie werden den König hinter dieser Tür antreffen.« Er verbeugte sich und ging die Treppe hinunter.
    Strange klopfte an die Tür. Aus dem Raum drangen Cembalomusik und leises Singen.
    Die Tür wurde geöffnet und gab den Blick frei

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