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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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die Königlichen Hoheiten alle gleichzeitig redeten und sich, in ihrem Eifer, die schreckliche Lage des Königs zu beschreiben, gegenseitig unterbrachen.
    »Wenn Sie sähen, wie Seine Majestät sabbert, wenn er Brot mit Milch isst«, sagte der Herzog von Clarence mit Tränen in den Augen zu Arabella. »Er leidet unter eingebildeten Ängsten und führt lange Gespräche mit Mr. Pitt, der seit langem tot ist... Nun, meine Liebe, dieser Anblick würde Sie unweigerlich zutiefst treffen.« Der Herzog nahm Arabellas Hand und begann sie zu streicheln, offenbar in der Meinung, sie wäre das Stubenmädchen.
    »Alle Untertanen Seiner Majestät bedauern zutiefst, dass er krank ist«, sagte Arabella. »Niemandem ist sein Leiden gleichgültig.«
    »Oh, meine Liebe!«, rief der Herzog entzückt. »Es rührt mich, Sie das sagen zu hören.« Und er drückte einen dicken nassen königlichen Kuss auf ihre Hand und blickte sie zärtlich an.
    »Wenn Mr. Norrell meint, dass er durch Zauberei nicht zu heilen ist, dann glaube ich, ehrlich gesagt, nicht, dass die Chancen gut stehen«, sagte Strange. »Aber ich bin gern bereit, Seiner Majestät meine Aufwartung zu machen.«
    »In diesem Fall«, sagte der Herzog von York, »sind nur noch die Willise ein Problem.«
    »Die Willise?«, sagte Strange.
    »Ja, natürlich!«, rief der Herzog von Cambridge. »Die Willise sind unverschämter, als man sich vorstellen kann.«
    »Wir müssen aufpassen, dass wir die Willise nicht allzu sehr verärgern«, warnte der Herzog von Clarence, »oder sie werden sich an Seiner Majestät rächen.«
    »Die Willise werden strikt dagegen sein, dass Mr. Strange den König aufsucht«, sagte der Herzog von Kent und seufzte.
    Die Willise waren zwei Brüder, die in Lincolnshire ein Tollhaus besaßen. Seit vielen Jahren kümmerten sie sich um den König, wann immer Seine Majestät dem Wahnsinn anheim fiel. Und wann immer er bei Sinnen war, erzählte der König wiederholt allen, wie sehr er die Willise und ihre grausame Art, ihn zu behandeln, hasste. Er hatte der Königin, den Herzögen und den Prinzessinnen das Versprechen abgenommen, ihn nicht wieder den Willisen auszuliefern, sollte er erneut wahnsinnig werden. Aber es hatte nichts genützt. Bei den ersten Anzeichen von Delirium wurde nach den Willisen geschickt, und sie kamen sofort, sperrten den König in einem Zimmer ein, steckten ihn in eine Zwangsjacke und verabreichten ihm starke abführende Mittel.
    Vermutlich wird es meine Leser wundern (denn es wunderte alle), dass ein König so wenig Autorität über sein eigenes Schicksal hatte. Aber bedenken Sie, mit welcher Beunruhigung das Gerücht, dass jemand wahnsinnig ist, in einer kleinen Familie aufgenommen wird. Um wie viel größer erst die Beunruhigung, wenn es sich um den König von Großbritannien handelt! Wenn Sie oder ich wahnsinnig werden, ist das Pech für uns, unsere Freunde und unsere Familie. Wenn ein König wahnsinnig wird, ist es eine Katastrophe für die ganze Nation. In der Vergangenheit hatte aufgrund von König Georges Krankheit häufig große Unsicherheit geherrscht, wer das Land denn nun regieren sollte. Es gab keine Präzedenzfälle. Niemand wusste, was zu tun war. Es lag nicht daran, dass jemand die Willise mochte oder respektierte – niemand tat das. Es lag nicht daran, dass ihre Behandlung das Leiden des Königs erleichterte – sie tat es nicht. Das Geheimnis ihres Erfolgs bestand darin, dass die Willise einen kühlen Kopf bewahrten, wenn alle anderen in Panik gerieten. Sie nahmen eine Verantwortung auf sich, vor der alle anderen sich drückten. Als Gegenleistung forderten sie die absolute Kontrolle über die Person des Königs. Niemand durfte mit dem König sprechen, wenn nicht ein Willis zugegen war. Nicht die Königin, nicht der Premierminister. Nicht einmal die dreizehn Söhne und Töchter des Königs.
    »Nun«, sagte Strange, nachdem ihm das alles erklärt worden war, »ich gebe zu, dass ich lieber mit Seiner Majestät sprechen würde, ohne dass andere Personen anwesend sind – vor allem Personen, die meinem Anliegen kritisch gegenüberstehen. Ich habe jedoch gelegentlich die gesamte französische Armee zum Narren gehalten. Deswegen gehe ich davon aus, dass ich auch mit zwei Doktoren fertig werde. Überlassen Sie die Willise mir.«
    Strange weigerte sich, über ein Honorar zu sprechen, bevor er beim König gewesen war. Für den Besuch bei Seiner Majestät wollte er nichts verlangen, was die Herzöge – die alle Spielschulden zu bezahlen

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