Jonathan Strange & Mr. Norrell
Zustand, der ihnen behagte, und insbesondere Drawlight tat alles in seiner Macht Stehende, um die Verstimmung zu schüren, die beide Zauberer bisweilen angesichts bestimmter Verhaltensweisen des anderen empfanden.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass ich nichts weiß, was ihm schaden könnte«, sagte er zu Lascelles. »Es gibt ein paar höchst merkwürdige Geschichten über seine Taten in Spanien. Mehrere Gewährsleute haben mir erzählt, dass er eine ganze Armee toter Soldaten gegen die Franzosen hat antreten lassen. Leichen mit zerschmetterten Gliedern und Augen, die ihnen an einem Faden aus den Höhlen hingen, und alle möglichen Gräuel, die man sich vorstellen kann. Was meinen Sie? Was würde Norrell sagen, wenn er davon erführe?«
Lascelles seufzte. »Ich wünschte, ich könnte Sie davon überzeugen, dass es vergeblich ist, Streit zwischen ihnen zu säen. Früher oder später werden sie das selbst erledigen.«
Ein paar Tage nach Stranges Besuch beim König versammelte sich eine Schar von Mr. Norrells Freunden und Bewunderern in der Bibliothek am Hanover Square, um ein neues Porträt der beiden Zauberer von Mr. Lawrence zu betrachten. 85 Mr. Lascelles und Mr. Drawlight waren da, ebenso Mr. und Mrs. Strange und einige Minister des Königs.
Auf dem Gemälde war Mr. Norrell in seinem schlichten grauen Rock und seiner altmodischen Perücke abgebildet. Sowohl Rock als auch Perücke waren ein bisschen zu groß für ihn. Er schien sich darin verkrochen zu haben, und seine kleinen blauen Augen blickten mit einer Mischung aus Ängstlichkeit und Arroganz auf die Welt, die Sir Walter Pole an die Katze seines Kammerdieners erinnerte. Den meisten Leuten fiel es schwer, etwas Schmeichelhaftes über Mr. Norrells Hälfte des Bildes zu sagen, aber alle bewunderten uneingeschränkt Strange. Strange saß hinter Mr. Norrell halb auf einem Tischchen, halb lehnte er dagegen, vollkommen entspannt, um den Mund einen spöttischen Zug, seine freundlichen Augen voller Geheimnisse und Zauberei – genau wie die Augen eines Zauberers sein sollten.
»Oh! Das ist ja ganz hervorragend«, begeisterte sich eine Dame. »Sehen Sie nur, wie der dunkle Spiegel im Hintergrund Mr. Stranges Kopf hervorhebt.«
»Die Leute glauben immer, dass Zauberer und Spiegel zusammengehören«, beschwerte sich Mr. Norrell. »An dieser Stelle hängt überhaupt kein Spiegel in meiner Bibliothek.«
»Künstler sind trickreiche Zeitgenossen, Sir, sie bilden die Welt ganz nach ihren eigenen Vorstellungen ab«, sagte Strange. »In dieser Hinsicht sind sie Zauberern nicht unähnlich. Und doch hat er einen seltsamen Spiegel gemalt. Es ist mehr eine Tür als ein Spiegel – er ist so dunkel. Ich kann nahezu spüren, wie es zieht. Es gefällt mir nicht, dass ich so nahe daran sitze – womöglich werde ich mich erkälten.«
Ein Minister, der nie zuvor in Mr. Norrells Bibliothek gewesen war, kommentierte ihre harmonischen Proportionen und die elegante Einrichtung, und auch andere brachten daraufhin ihre Bewunderung für die Bibliothek zum Ausdruck.
»Es ist gewiss ein sehr schöner Raum«, pflichtete Drawlight bei, »aber verglichen mit der Bibliothek in Hurtfew Abbey ist sie nichts. Das ist ein wirklich bezaubernder Raum. Nie zuvor in meinem Leben habe ich etwas so Entzückendes, so Vollkommenes gesehen. Kleine Spitzbögen und eine Kuppel, die von Säulen im gotischen Stil getragen wird, und das geschnitzte Laub – vertrocknete und verdrehte Blätter, als hätte sie ein schrecklicher Wintersturm verwelken lassen, alles aus guter englischer Eiche und Esche und Ulme –, sie ist das Schönste, was ich je gesehen habe. ›Mr. Norrell‹ sagte ich, als ich die Schnitzereien erblickte, ›Sie haben Seiten, von denen wir keine Ahnung hatten. Sie sind ja ein Romantiker, Sir.‹«
Mr. Norrell blickte drein, als hätte er es nicht gern, wenn so viel über die Bibliothek von Hurtfew Abbey gesprochen wurde, aber Mr. Drawlight fuhr unbeirrt fort: »Es ist, als befände man sich in einem Wald, einem hübschen kleinen Wäldchen, spät im Jahr, und die Einbände der Bücher, die alle beige und braun und vom Alter getrocknet sind, verstärken diesen Eindruck. Ja, es scheint, als befänden sich dort so viele Bücher wie Blätter im Wald.« Mr. Drawlight hielt inne. »Waren Sie schon einmal in Hurtfew, Mr. Strange?« Strange erwiderte, dass er das Vergnügen bislang nicht gehabt habe.
»Ah, aber Sie sollten hinfahren.« Drawlight lächelte gehässig. »Wirklich, das sollten Sie.
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