Jonathan Strange & Mr. Norrell
sei warm genug, doch sie hörten nicht auf ihn). Sie versprühten Lavendelwasser und sal volatile . Sie unterbanden einen Luftzug, der ihrer Meinung nach unter einer Tür hindurchwehte. Mr. Segundus begann zu vermuten, dass sie einen ereignislosen Vormittag hinter sich hatten und über einen fremden Herrn, der beim Betreten des Zimmers in Ohnmacht fiel, hocherfreut waren.
Nach einer Viertelstunde dieser Behandlung wurde ihm gestattet, sich in einen Sessel zu setzen und ohne fremde Hilfe dünnen Tee zu schlürfen.
»Es ist ganz und gar mein Fehler«, sagte die Dame mit dem Hündchen. »Fellowes sagte mir, dass der Herr aus York gekommen war, um sich die Bücher anzusehen. Ich hätte mich Ihnen schon früher vorstellen sollen. Es war ein zu großer Schreck für Sie, uns so plötzlich vor sich zu sehen.«
Der Name dieser Dame lautete Mrs. Lennox. Die andere, ihre Freundin, hieß Mrs. Blake. Sie wohnten in Bath und waren nach Starecross gekommen, damit Mrs. Lennox das Haus noch einmal sehen konnte, bevor es verkauft wurde.
»Töricht, nicht wahr?«, sagte Mrs. Lennox zu Mr. Segundus. »Das Haus stand jahrelang leer. Ich hätte es schon längst verkaufen sollen, doch als Kind habe ich hier viele Sommer verbracht, in denen ich außerordentlich glücklich war.«
»Sie sehen immer noch ziemlich blass aus, Sir«, meinte Mrs. Blake. »Haben Sie heute schon etwas gegessen?«
Mr. Segundus gestand, dass er großen Hunger habe.
»Hat Fellowes Ihnen kein Abendessen gebracht?«, fragte Mrs. Lennox überrascht.
Fellowes war offensichtlich der nachlässige Dienstbote in dem winzigen Zimmer. Mr. Segundus wollte nicht sagen, dass es ihm nur mit Mühe gelungen war, Fellowes dazu zu bringen, mit ihm zu sprechen.
Zum Glück hatten Mrs. Lennox und Mrs. Blake eine üppige Mahlzeit mitgebracht, und Fellowes war momentan dabei, sie anzurichten. Eine halbe Stunde später setzten sich die beiden Damen mit Mr. Segundus zum Essen in einem eichengetäfelten Raum, der einen melancholischen Ausblick auf die herbstlichen Bäume bot. Die einzige kleine Unannehmlichkeit bestand darin, dass die beiden Damen von dem angeschlagenen Mr. Segundus verlangten, schonende, leicht verdauliche Speisen zu sich zu nehmen, während er in Wahrheit sehr hungrig war und Lust auf gebratenes Beefsteak und warmen Pudding hatte.
Die beiden Damen freuten sich über die Gesellschaft und erkundigten sich eingehend nach seiner Person. Sie waren überaus interessiert, als sie erfuhren, dass er ein Zauberer war; sie hatten noch nie zuvor einen kennen gelernt.
»Und haben Sie in meiner Bibliothek Zaubertexte gefunden?«, fragte Mrs. Lennox.
»Keinen einzigen, Madam«, sagte Mr. Segundus. »Aber Zauberbücher, vor allem wertvolle, sind wirklich äußerst selten. Ich wäre sehr überrascht gewesen, wenn ich welche gefunden hätte.«
»Jetzt fällt es mir ein«, sann Mrs. Lennox nach. »Ich glaube, es gab ein paar. Doch die habe ich vor Jahren an einen Herrn aus der Nähe von York verkauft. Unter uns gesagt, hielt ich ihn für etwas töricht, weil er einen so hohen Preis für Bücher zahlte, die niemand wollte. Aber vielleicht war er am Ende doch nicht so dumm.«
Mr. Segundus wusste, dass »der Herr aus der Nähe von York« Mrs. Lennox vermutlich nicht einmal ein Viertel des angemessenen Preises für die Bücher gezahlt hatte, aber man sollte so etwas nicht laut aussprechen, daher lächelte er höflich und behielt seine Gedanken für sich.
Er erzählte ihnen von seinen Schülern und Schülerinnen und davon, wie schlau und lernbegierig sie waren.
»Und da Sie sie mit solchem Lob ermutigen«, sagte Mrs. Blake freundlich, »lernen sie unter Ihrer Anleitung sicher mehr als bei jedem anderen Lehrer.«
»Ach, das weiß ich nicht«, sagte Mr. Segundus.
»Mir war bisher noch nicht klar«, sagte Mrs. Lennox nachdenklich, »wie beliebt das Studium der Zauberei nun überall geworden ist. Ich dachte, es beschränke sich auf die beiden Männer in London. Wie hießen sie noch? Vermutlich ist der nächste Schritt, Mr. Segundus, eine Schule für Zauberer? Darauf werden Sie sicherlich Ihre Anstrengungen richten?«
»Eine Schule!«, sagte Mr. Segundus. »Aber dafür brauchte man -nun, ich weiß nicht genau, was – aber eine Menge Geld und ein Haus.«
»Vielleicht wäre es schwierig, Schüler anzuwerben?«, sagte Mrs. Lennox.
»Nein, keine Frage. Ich wüsste aus dem Stand vier junge Männer.«
»Und wenn Sie eine Anzeige...«
»Aber das würde ich nie tun!«, sagte Mr. Segundus
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