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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Fuchs...
    Am Abend des zweiten Tages lag er im Bett mit einer wesentlich klareren Vorstellung, wer und wo er war und was passiert war. Gegen sieben Uhr betrat Lucas den Raum und trug einen Speisezimmerstuhl herein, den er neben das Bett stellte. Einen Augenblick später kam Mr. Norrell herein und setzte sich darauf.
    Eine Weile tat Mr. Norrell nichts anderes, als ängstlich auf die Tagesdecke zu starren. Dann murmelte er eine Frage.
    Childermass hörte nicht, was er sagte, nahm aber selbstverständlich an, dass sich Mr. Norrell nach seiner Gesundheit erkundigte, weswegen er erklärte, dass es ihm in ein, zwei Tagen hoffentlich besser gehen würde.
    Mr. Norrell unterbrach ihn und fragte deutlicher: »Warum hast du Belasis' Scopus angewandt?«
    »Was?«, fragte Childermass.
    »Lucas sagte, dass du gezaubert hast«, sagte Mr. Norrell. »Ich habe mir den Zauber von ihm beschreiben lassen. Selbstverständlich habe ich Belasis' Scopus erkannt.« 112 Sein Gesicht wurde scharf und argwöhnisch. »Warum hast du ihn angewandt? Und – noch wichtiger – wo um alles in der Welt hast du ihn gelernt? Wie kann ich arbeiten, wenn ich ständig auf diese Weise hintergangen werde? Ich wundere mich, dass ich überhaupt etwas zu Wege gebracht habe, da ich umgeben bin von Dienstboten, die hinter meinem Rücken das Zaubern lernen, und Schülern, die alles zerstören wollen, was ich erreicht habe.«
    Childermass bedachte ihn mit einem Blick milder Verzweiflung. »Sie selbst haben ihn mir beigebracht.«
    »Ich?«, rief Mr. Norrell, seine Stimme erheblich höher als gewöhnlich.
    »Bevor Sie nach London gegangen sind, als Sie Ihre Tage noch in der Bibliothek von Hurtfew Abbey verbrachten und mich durchs Land schickten, um wertvolle Bücher zu kaufen. Sie haben mir den Zauber beigebracht für den Fall, dass ich jemanden treffen sollte, der behauptete, praktischer Zauberer zu sein. Sie hatten Angst davor, dass es einen anderen Zauberer geben könnte, der...«
    »Ja, ja«, sagte Mr. Norrell ungeduldig. »Ich erinnere mich. Aber das erklärt nicht, warum du ihn gestern Vormittag auf dem Square angewandt hast.«
    »Weil heftig gezaubert wurde.«
    »Lucas hat nichts bemerkt.«
    »Es gehört nicht zu Lucas' Pflichten, zu merken, wenn gezaubert wird. Das obliegt mir. Es war das Seltsamste, was ich je erlebt habe. Immer wieder schien mir, als wäre ich an einem völlig anderen Ort. Ich glaube, dass ich eine Weile in großer Gefahr schwebte. Ich weiß nicht genau, wo dieser Ort war. Er wies sonderbare Eigenheiten auf – die ich Ihnen gleich beschreiben werde –, aber es war gewiss nicht England. Ich glaube, es war das Elfenland. Was für eine Zauberei hat so eine Wirkung? Und wer hat gezaubert? Ist es möglich, dass diese Frau eine Zauberin war?«
    »Welche Frau?«
    »Die Frau, die auf mich geschossen hat.«
    Mr. Norrell gab einen leisen gereizten Laut von sich. »Diese Kugel hat mehr Schaden angerichtet, als ich dachte«, sagte er verächtlich. »Wenn sie eine große Zauberin gewesen wäre, glaubst du dann wirklich, dass du ihren Plan so leicht hättest durchkreuzen können? Auf dem Square hat niemand gezaubert. Schon gar nicht diese Frau.«
    »Warum? Wer war sie?«
    Mr. Norrell zögerte einen Augenblick. Dann sagte er: »Sir Walter Poles Frau. Die Frau, die ich von den Toten zurückgeholt habe.«
    Childermass zögerte einen Augenblick. »Nun, Sie erstaunen mich!«, sagte er schließlich. »Ich kenne mehrere Personen, die guten Grund hätten, mit einer Pistole auf Ihr Herz zu zielen, aber bei meinem Leben, ich verstehe nicht, warum diese Frau zu ihnen zählen sollte.«
    »Es heißt, sie ist verrückt«, sagte Mr. Norrell. »Sie entwischte den Leuten, die auf sie aufpassen sollten, und kam hierher, um mich zu töten, was – da wirst du mir wohl zustimmen – Beweis genug für ihren Wahnsinn ist.« Mr. Norrells kleine graue Augen blickten weg. »Schließlich gelte ich überall als ihr Wohltäter.«
    Childermass hörte ihm kaum zu. »Aber woher hatte sie die Pistole? Sir Walter ist ein umsichtiger Mann. Es ist schwer vorstellbar, dass er Feuerwaffen herumliegen lässt.«
    »Es war eine Duellpistole und stammte aus einem Paar, das Sir Walter gehört. Er bewahrt sie in einer verschlossenen Kiste in einem verschlossenen Schreibtisch in seinem privaten Studierzimmer auf. Sir Walter sagt, dass er bis gestern geschworen hätte, dass sie nichts davon wusste. Wie sie in den Besitz des Schlüssels – der beiden Schlüssel – gelangt ist, ist allen ein

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