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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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zwei junge Damen (zweifellos fanatische Anhänger der Zauberei) vor dem Haus und schauten es aufgeregt an. Etwas weiter entfernt lehnte ein dunkler junger Mann am Geländer. In seiner Nähe stand ein Tintenverkäufer in einem zerschlissenen Überzieher mit einem kleinen Tintenfass auf dem Rücken. Auf der rechten Seite war noch eine Dame. Sie hatte sich vom Haus abgewandt und ging langsam in Richtung Hanover Street, aber Childermass hatte den Eindruck, dass sie gerade noch das Haus betrachtet hatte. Sie war elegant und teuer gekleidet in einen pelzgefütterten dunkelgrünen Umhang, der mit Hermelin besetzt war, und sie trug einen großen Muff aus Hermelin.
    Childermass kannte den Tintenverkäufer – er hatte schon oft Tinte bei ihm gekauft. Die anderen waren ihm alle fremd. »Erkennst du jemanden?«, fragte er.
    »Der dunkelhaarige Kerl.« Lucas deutete auf den jungen Mann, der am Geländer lehnte. »Das ist Frederick Marston. Er war schon mehrmals da, um Mr. Norrell zu bitten, ihn als Schüler aufzunehmen, aber Mr. Norrell hat sich stets geweigert, ihn zu empfangen.«
    »Ja. Ich glaube, du hast mir von ihm erzählt.« Childermass betrachtete die Leute auf dem Platz noch eine Weile, dann sagte er: »So unwahrscheinlich es wirkt, aber einer von ihnen muss Zauberei betreiben. Ich muss hinausgehen und nachsehen. Komm. Ich brauche deine Hilfe.«
    Auf dem Square war der Zauber stärker als je zuvor. Die traurige Glocke läutete in Childermass' Kopf. Hinter dem Vorhang aus Schnee flackerten Bilder der zwei Welten auf und erloschen, wie Bilder in einer magischen Laterne – im einen Augenblick der Hanover Square, im nächsten öde Felder und eine schwarze Schrift am Himmel.
    Childermass hob das Weinglas, um den Zauberspruch hineinzusprechen, aber das war nicht nötig. Ein weiches weißes Licht glühte darin. Es war die hellste Erscheinung an diesem düsteren Wintertag, das Licht klarer und reiner, als je eine Lampe leuchten könnte, und es warf merkwürdige Schatten auf die Gesichter von Childermass und Lucas.
    Und wieder sprach der Himmel zu ihm. Dieses Mal glaubte er, dass es eine Frage war. Seine Antwort hätte weit reichende Folgen. Wenn er nur verstehen könnte, was er gefragt wurde, und die richtigen Worte fände, um die Antwort zu formulieren, dann würde ihm etwas offenbart – etwas, was die englische Zauberei für immer verändern würde, etwas, woran Strange und Norrell noch nicht einmal gedacht hatten .
    Einen langen Augenblick kämpfte er darum, zu verstehen. Die Sprache oder der Zauber schienen jetzt quälend vertraut. Gleich, so dachte er, würde er begreifen. Schließlich sprach die Welt diese Worte jeden Tag seines Lebens zu ihm, er hatte es bislang nur nicht bemerkt ...
    Lucas sagte etwas. Childermass war wohl erneut im Begriff zu stürzen, denn jetzt packte ihn Lucas unter den Armen und zog ihn hoch. Das Weinglas lag zerbrochen auf den Pflastersteinen, und das weiße Licht hatte sich auf den Schnee ergossen.
    »... äußerst merkwürdig«, sagte Lucas. »So ist's gut, Mr. Childermass. Kommen Sie hoch. Ich habe Sie noch nie so mitgenommen gesehen. Sind Sie sicher, Sir, dass Sie nicht hineingehen wollen? Aber da kommt ja Mr. Norrell. Er wird wissen, was zu tun ist.«
    Childermass blickte nach rechts. Mr. Norrells Kutsche fuhr von der George Street her auf den Square.
    Auch der Tintenverkäufer sah sie. Sofort näherte er sich dem Herrn und den zwei Damen. Er verbeugte sich respektvoll und sprach den Herrn an. Alle drei wandten den Kopf und schauten zur Kutsche. Der Herr griff in die Tasche und gab dem Tintenverkäufer eine Münze. Der Tintenverkäufer verneigte sich erneut und zog sich zurück.
    Mr. Marston, der dunkle junge Mann, brauchte niemanden, der ihn auf Mr. Norrells Kutsche aufmerksam machte. Kaum sah er sie näher kommen, richtete er sich auf und setzte sich in Bewegung.
    Auch die elegant gekleidete Dame hatte sich umgedreht und kam zurück zum Haus, offenbar mit der Absicht, sich den größten Zauberer Englands anzusehen.
    Die Kutsche hielt vor dem Haus. Die Diener stiegen vom Kutschbock und öffneten die Tür. Mr. Norrell stieg aus. Er war in so viele Schals gewickelt, dass seine kleine Gestalt nahezu stämmig wirkte. Sofort grüßte ihn Mr. Marston und begann auf ihn einzureden. Mr. Norrell schüttelte ungeduldig den Kopf und winkte ab.
    Die elegant gekleidete Dame ging an Childermass und Lucas vorbei. Sie war sehr blass und blickte ernst drein. Childermass dachte, dass sie bei Leuten, die auf

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