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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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so hässlich aus und zitterte immerfort, obwohl sie keinen Grund dazu hatte. Ich hoffe, dass ich mir meine Gefühle nicht anmerken ließ. Ich drückte Robin die Dame in die Hand, doch Robin schien sie zu vergessen und ließ sie auf die Planken fallen.
    »Dann nimm den Jüngling«, schlug Entchen vor.
    »Nein«, lehnte Robin sehr entschlossen ab.
    Nachdem wir endlos durch das sich hebende und senkende graue Wasser gesegelt waren – es musste später Nachmittag geworden sein –, kamen wir endlich dem Land nahe. Dort wirkte alles wie ausgebleicht, bräunlich oder sandfarben, und es roch wie ein frisch gefangener Fisch. Das war der Geruch des Meeres. Und das Land war kein Festland, sondern erwies sich als Inseln aus aufgeschwemmtem Sand, während das eigentliche Land, das ebenso sandig war, weiter dahinter lag. Zwischen dem Land und den Inseln rauschte und schlürfte das sandfarbene Wasser, während es auf der Stromseite aus hohen, ständig anbrandenden Wellen bestand. Wie Hern uns auf den Strand der letzten Insel brachte, werde ich nie begreifen. Er muss doch ein besserer Fährmann sein als ich.
    Nun waren wir auf unserer letzten Insel angelangt. Sie bestand aus verkrustetem Sand und war von scharf blättrigem Gras und krummen, vom Wind gebeugten Dornbüschen bedeckt. Der Wind hatte Mulden und Löcher in den Sand geblasen. Wir suchten uns die größte Mulde, die dem Land zugewandt war, von dem wir kamen – von hier sah es aus wie blaue Berge –, und schlugen ein Lager auf. Wir zogen das Boot heran, damit Robin dahinter einen gewissen Schutz genoss. Weiter unten war eine Stelle, wo allerlei Treibgut auf die Insel geschwemmt und vom schnell fließenden Wasser festgehalten wurde.
    »Igitt!«, rief Entchen, als er es sah.
    Dort lagen tote Hühner, ertrunkene Ratten, Kohlstängel und viele andere ekelhafte Dinge, doch es gab auch Holz und Wasserpflanzen. Damit machten wir ein gutes Feuer. Robin wickelten wir in Wollmäntel und zusätzliche Decken, und trotzdem zitterte sie immer noch. Wir boten ihr zu essen an.
    »Ich kriege nichts runter«, sagte sie. »Nur Wasser.«
    »Wasser!«, rief ich aus. Hern und ich blickten uns an. Im Krug war nur noch eine Pfütze, aber auf der ganzen Insel gab es keine Quelle. Ich ging an das Ufer und kostete die graue Flut. Der Strom vermengt sich an jener Stelle schon mit dem Meer, und das Meer besteht aus Salzwasser. Ich weiß nicht, woher das Salz kommt, aber jedenfalls kann man Meerwasser nicht trinken.
    »Was tun wir denn jetzt?«, flüsterte ich.
    »Wir können das Boot nicht nehmen«, flüsterte Hern zurück. »Ohne das Boot kühlt sie aus, und die Strömung ist schrecklich. Ich sehe nirgendwo etwas, was nach einem Bach aussieht.«
    Hilflos musterten wir das flache, sandige Land. Natürlich suchte sich Entchen ausgerechnet diesen Moment aus, um mit lauter Stimme zu verkünden: »Ich habe schrecklichen Durst!«
    »Halt den Mund!«, riefen wir beide.
    Doch da erhob sich Robin auf einen Ellbogen. Die Decken rutschten ihr runter, und in ihrem blaugrauen Mund klapperten die Zähne. »Ist das Wasser alle? Ich gehe und hole…«
    »Du legst dich wieder hin«, sagte ich und funkelte Entchen warnend an. »Ich bin schon unterwegs, um welches zu holen.« Ich nahm den Wasserkrug und stapfte den sandigen Hügel hinauf davon, ohne zu wissen, was ich tun sollte. Ich fühlte mich wirklich niedergeschlagen. Wenn ich heute daran zurückdenke, wird mir klar, dass weite offene Flächen mich immer unglücklich stimmen. Auf dem See war es das Gleiche. Wo ich aufgewachsen bin, ist das Land hüglig und eng. Mir kam es vor, als wäre das Land hier nie wirklich vollendet worden. Alles war flach und sandgrau oder flussgrau und von einem eigenartigen, purpurgrauen Nebel verhangen. Man konnte nicht sehr weit sehen, wenn es denn überhaupt etwas zu sehen gab. Das Einzige, woran mein Auge Halt fand, war der breite Kanal voll dahinschießendem grauem Wasser zwischen mir und dem Ufer, und ich wusste nicht, wie ich ihn überqueren sollte.
    Dennoch schleppte ich mich hinab an den Kanal. Ich vermutete schwach, das Wasser darin könnte vielleicht weniger salzig sein. Und während ich ging, glaubte ich Entchen vom rauschenden Kanal her rufen zu hören. Er schrie, wie er nur schrie, wenn er wirklich große Angst hatte. »Hilfe!«, schrie er.
    Ich weiß noch, dass ich den Krug fallen ließ und auf dem trockenen Sand zum Wasser herunterglitt wie ein Pflug und dabei eine Furche hinterließ. Der Schrei kam nicht von Entchen,

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