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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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Herz gebracht, auf der Insel stehen zu bleiben und zuzusehen, wie dieser kleine Junge ertrank. »Du gehst besser heim und ziehst dir trockene Sachen an«, sagte ich. »Wo finde ich Wasser?«
    Er blickte mich wieder von der Seite an und zeigte auf den strömenden Kanal hinter uns.
    »Sehr komisch!«, rief ich. »Willst du mich zum Narren halten?« Er schüttelte den Kopf. »Trinkwasser«, sagte ich. »Ich war auf der Suche nach Trinkwasser, als ich dich rufen hörte.«
    Er betrachtete mich mit großer Vorsicht aus den Augenwinkeln. Vielleicht hatte er gemerkt, dass ich keine Heidin war. Aus irgendeinem Grunde fürchtete er mich und behandelte mich mit großer Achtung. »Da oben gibt es Wasser«, sagte er und wies mit seinem bibbernden Kinn auf den sandigen Hügel über uns.
    »Zeig mir den Weg«, sagte ich.
    Während wir landeinwärts die Steigung hinaufmarschierten, schnatterten wir beide vor Kälte. Mal überquerten wir einen sandigen Buckel, manchmal umrundeten wir einen anderen. Der Wind blies gnadenlos. Schließlich standen wir aber vor einem eigenartigen kleinen, sehr seichten Bach, der zwischen zwei Sandbuckeln hindurchrann. Etwa einen Fuß über meinem Kopf entsprang er dem Sand und versickerte, anstatt hinunter zum Strom zu fließen, gleich neben meinen malvenfarbigen Füßen wieder im Sand. Ich kostete das Wasser. Es schmeckte gut. »Danke«, sagte ich zu dem Jungen. »Jetzt hast du mir die Quelle gezeigt und darfst nach Hause gehen. Aber vergiss nicht, die Wahrheit zu erzählen. Wenn du schwindelst und sagst, die Eingeborenen hätten dich ins Wasser gestoßen, dann werde ich das sofort wissen, und dann komme ich dich holen.« Ich sah nicht ein, warum er meinen Landsleuten die Schuld an seiner Torheit geben sollte.
    »Ist gut«, brummte er und scharrte mit seinen wunden Zehen über den Sand. Ich sah, dass ich ihn beeindruckt hatte. Er war viel kleiner als Entchen.
    »Gut«, sagte ich. »Dann mach dich auf den Weg.«
    Er verschwand in einer Sandwolke, bevor ich zu Ende gesprochen hatte. Er hat sich nie bedankt. Er war ein sehr undankbarer Heidenlümmel.
    Ich kniete mich eine Weile neben den Bach und befasste mich mit seinen Besonderheiten. Seitdem habe ich gelernt, dass solche Bäche in der Nähe der Strommündung recht verbreitet sind, aber ich hatte so etwas bislang noch nie gesehen. Sosehr ich auch grub, ich fand nicht heraus, woher das Wasser kam. Schließlich bemerkte ich, dass ich durchgefroren war und nichts hatte, worin ich das Wasser befördern konnte. Ich stand auf und trampelte auf meinen eiskalten Beinen zurück zum Kanal, bis ich unsere Insel sah.
    Sie lag ein gutes Stück stromaufwärts von mir. Ich sah Entchen und Hern, die sich besorgt über die Furche beugten, wo ich in den Kanal gepflügt war.
    »He!«, rief ich. »Wo ist der Wasserkrug?«
    Sie rissen beide den Kopf hoch. Ich lachte. Sie blickten zur See, denn sie erwarteten mich dort. Das war recht dumm von ihnen, denn während ich am Bach grub, hatte die Gezeit gewechselt, und das Kanalwasser rauschte landeinwärts. Der Kanal war nun schmaler, seichter und sanfter.
    Entchen rannte los, um den Krug zu holen. Hern brüllte mir die Frage zu, wie ich den Kanal überquert hätte, und ich schrie zurück und versuchte ihm von dem Heidenkind zu erzählen, aber durch den starken Wind verstand keiner von uns viel. Dann kam Entchen mit dem Wasserkrug zurückgerannt und wetzte direkt ins Wasser. Ich begriff plötzlich, dass er versuchen würde, es zu überqueren.
    »Halt!«, schrie ich. Ich musste an den tückischen Grund denken. »Ich bin schon nass.« Mit einer Warnung vor dem Schlamm oder vor der Strömung hätte ich ihn nicht aufhalten können. Stattdessen eilte ich selbst in den Kanal. Meine Füßen sanken ein, aber es war längst nicht so schlimm wie beim ersten Mal. Das Wasser reichte mir bis an die Knie – ich war so durchgefroren, dass es sich warm anfühlte –, dann bis an die Hüften, aber das war alles. Die Strömung war überhaupt nicht mehr reißend. Ich konnte es kaum glauben.
    »Was soll denn die ganze Aufregung? Ich wäre leicht auf die andere Seite gekommen«, erklärte Entchen, als ich das Ufer erreichte.
    »Hast du nicht gehört? Ich bin schon nass«, erwiderte ich. Ich nahm den Krug und watete zurück. Diesmal reichte mir das Wasser kaum noch an die Oberschenkel. Die Gezeit werde ich nie begreifen, sagte ich mir.
    Als ich mit dem gefüllten Krug zurückkam, hatte sich der Kanal noch weiter verengt und war zu einem schnellen Bach

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