Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
Vom Netzwerk:
das schlechteste Stück, das ich je gewoben habe. Darauf steht: Ein Mann kam über den Hügel … (unleserlich), Dame in der Mühle … (unleserlich). Dann geht es eine Reihe tiefer weiter: (unleserlich) … vom Strom … (unleserlich) … lebten auf immer. Entsetzlich. Auf zwei breiten Bändern unten am Saum. Die abscheulichen Magier kicherten beide höhnisch, während sie lasen, und Kankredin gackerte kehlig. Sein Lachen klang genauso schlimm wie seine Stimme. Solche Grausamkeit hallte darin wider, dass ich fast glaubte, hinter seinem Stuhl würde im gleichen Augenblick jemand gefoltert.
    »Wie nennst du denn einen Zauberspruch wie den da?«, dröhnte Kankredin.
    »Es ist ein Kinderreim!«, entgegnete ich zornig.
    »In Kindersprache«, sagte Kankredin. Lachend und quälerisch wandte er sich an Hern. »Wenigstens du hast genügend Verstand, um ohne solchen ›Schmuck‹ herumzulaufen.«
    »Ich habe eine Botschaft für dich«, entgegnete Hern. Es war eigenartig. Entchen und mir setzte Kankredins Gegenwart längst nicht sosehr zu wie Hern. Er war von Anfang an blass gewesen, und nach kurzer Zeit schwitzte er und atmete schwer. Entchen und ich hielten zwar jeweils einen Unvergänglichen, aber ich glaube trotzdem, dass Herns Bedrängnis noch andere Ursachen hatte. Hern dachte noch immer, er könne Kankredin mit Hilfe der Vernunft bekämpfen. Die Vernunft aber war bereits niedergeworfen worden, als wir die Seelen im Netz zappeln sahen, und das wollte Hern nicht zugeben. »Ich komme von Kars Adon…«, begann er.
    »Was will dieser dumme Junge denn nun schon wieder? Hm?«, unterbrach Kankredin ihn. Er hatte eine schreckliche Art, ›Hm?‹ zu sagen. Der Laut stocherte nach einer Antwort und schüchterte einen selbst dann noch ein, wenn man antworten wollte. Und wenn man sich gar vornahm, nichts zu sagen, stellte man fest, dass man auf dieses ›Hm?‹ hin sofort etwas erwiderte.
    »Ich wollte gerade sagen«, fuhr Hern fort, als ränge er um Worte, »dass Kars Adon heute landeinwärts zieht. Er sagt…«
    »Soll er doch gehen und sich von den Eingeborenen fressen lassen«, sagte Kankredin. »Ich habe keine Zeit, mich um ihn zu kümmern. Wenn er geblieben wäre, wo er war, hätte ich ihn an meinem Triumph teilhaben lassen, aber wie es nun ist, begnüge ich mich mit den Eingeborenen. War das alles? Hm?«
    »Nein«, antwortete Hern, obwohl er sich noch immer wehrte. »Ich möchte wissen, was du eigentlich mit dem Strom anstellst. Was denkst du dir dabei?«
    »Was soll denn diese Frechheit?«, dröhnte Kankredin und sprang auf. »Hm?« Die Kälte, die er verströmte, drängte uns einen Schritt zurück.
    Nun muss ich euch gestehen, dass ich nicht mehr weiß, was dann gesagt wurde, weil ich ausgerechnet in diesem Moment begann, Kankredins Gewand zu lesen. Ich muss mich ganz auf Entchens Gedächtnis verlassen, das zwar gut ist, aber nicht so gut wie mein eigenes. Hern gibt zu, dass er von diesem Augenblick an ein Gefühl hatte, als halte er den Kopf unter Wasser. In seinen Ohren brauste es. Außer dass er mit Kankredin um seine Seele gerungen hat, weiß er nur noch wenig.
    Mit dem Lesen begann ich gedankenlos, als Kankredin aufstand. Während ich zurückwich, sah ich auf seiner linken Schulter: Ich, Kankredin, Magier der Magier, habe diese Zauber gewirkt, um mir das Land zu unterwerfen. Der Satz befand sich für mich genau auf Augenhöhe. Nachdem ich einmal angefangen hatte, blieb mir keine Wahl, ich musste weiterlesen. Zuerst forschte ich genau, las ich, wo ich des Landes Seele und Wesen fände, denn nur dort kann ein Land wahrhaft in Besitz genommen werden. Und bald gelangte ich zu dem Schluss, dass die Seele dieses Landes in dem einen mächtigen Flusse liegt, der mit seinem Seitenarm das ganze Land bewässert. Dieser Fluss – das ist so richtig, denn er benutzte das allgemein übliche Muster für einen gewöhnlichen Fluss und nicht das für den Strom, das Tanamil mich gelehrt hat – dieser Fluss ruht an seiner Quelle, zusammengeringelt, so stelle ich es mir vor, wie eine Schlange oder ein Drache. Ihn fange ich in diesem Netz aus Worten, zwischen Schlafen und Wachen, und binde ihn auf Dauer. Doch seine Kraft ist noch nicht…
    Nun setzte Kankredin sich wieder, und die nächsten Zeilen verschwanden in den Falten zwischen seinem Bauch und seinen Beinen. Ich musste an seinem linken Oberschenkel weiterlesen.
    Währenddessen, so berichtet mir Entchen, schmähte Kankredin Hern dafür, dass er gewagt hatte zu fragen, was er mit dem

Weitere Kostenlose Bücher