Jones, Diana Wynne
auf.
»Ein paar von euch raus!«, brüllte Kankredin. Er saß auf dem Stuhl. Gerade noch war das Möbel leer gewesen.
Ich war überzeugt gewesen, nichts könne mich mehr schrecken, nachdem ich das Netz der Seelen gesehen hatte, doch ich sollte mich irren. Kankredin war nicht Tanamil. Er war nicht jung. Er war alt – alt, wie ein Stein alt ist, hart und beständig, so als wäre er niemals anders gewesen. Und wie ein Stein, der in der Erde ruht, so hauchte auch Kankredin Kälte aus. Ich fror, und die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf, bevor ich ihn mir auch nur richtig angesehen hatte.
Ihn anzusehen war nicht leicht. Seine Kälte betäubte mir die Augen. Ich glaube, ihm hingen zu beiden Seiten des Kopfes wirre graue Haarmatten herunter; sein Scheitel war kahl, grau vor Schmutz und voller großer rosa Geschwülste. Den Scheitel sieht man als Erstes, wenn jemand sich hinsetzt. Dann erst hob Kankredin, beklemmend langsam, den Kopf. Er schien ein volles Gesicht zu haben. Die Augen lagen halb unter runzligen Lidern und in unzähligen Fältchen verborgen. Als ich aber seinem Blick begegnete, schwoll das Gesicht an und entfernte sich, erschien zugleich riesig und undeutlich und weit weg. Hern sagt, er sehe es jetzt noch so vor sich, wenn er die Augen schließe, aber er kann nicht beschreiben, was er sieht. Mir geht es genauso. Ich erinnere mich besser an die Stimme, mit der Kankredin den Magiern gebot, den Raum zu verlassen. Sie dröhnte aus seiner breiten Brust und seinem Bauch hervor wie der Klöppel in einer Glocke. Nur dass es eine weit entfernte Glocke gewesen wäre: Die Stimme schien nicht aus Kankredins Mund zu kommen, sie drang von Fern zu uns und drohte mit Furcht und Schrecken, Niederlage und Tod. Kaum hatte ich sie vernommen, als ich begriff, dass wir dem leibhaftigen Bösen gegenüberstanden, und erkannte, wie dumm wir gehandelt hatten, indem wir ohne den Einen hierher kamen.
Was ich noch am deutlichsten erkannte, war das Gewand, in das Kankredin sich hüllte. Es war lang und weit, und im Unterschied zu den Gewändern der anderen Magier bedeckten es Wörter vom Halsausschnitt bis zum Saum; diese Wörter waren viel größer und zusammenhangloser eingewoben, als ich sie weben würde. Zuerst vermochte ich diese Wörter gar nicht anzusehen. Sie sprangen aus dem Tuch, dichtauf und gewaltbereit, als wollten sie jedem schaden, der sie las. Ich musste die Augen von ihnen abwenden. Kankredin war zu schwer und sein Gewand allzu leicht zu betrachten.
Ich wusste nun, dass Kankredin nicht Tanamil war. Dennoch hatte ich während alledem das starke Empfinden, Tanamil sei ganz in der Nähe. Ich wollte nachschauen, ob er unter den anderen Magiern stand, doch bis auf Ich folterte das Tier und Schleichender Tod hatten sie den Raum verlassen.
»Also?«, ließ Kankredin erschallen, während er uns ansah. »Ihr seid durch das Netz gedrungen, ohne eure Seele zu verlieren, und nun haltet ihr euch wohl für besonders klug. Wie habt ihr das geschafft?«
Mir kam in den Sinn, wie merkwürdig es gewesen war, dass wir uns so plötzlich auf der anderen Seite des Netzes wiedergefunden hatten, ohne sagen zu können, wie es uns gelungen war. Entchen entgegnete leichthin: »Vielleicht durch einen Zauber, den du nicht kennst.«
»Es gibt keinen Zauber, den ich nicht kenne«, donnerte Kankredin aus der Ferne. »Könntet ihr euch denn dagegen wehren, dass ich euch die Seele nähme, nun, da ihr vor mir steht? Hm?«
»Das weiß ich nicht, solange du es nicht versuchst«, sagte Entchen.
»Dann wollen wir es herausfinden«, sagte Kankredin. »Ich sehe, dass du dich für einen Magier hältst, Junge. Doch wie es scheint, ist es damit nicht weit her. Was ist das für ein Zauber an der Kante dieses außerordentlichen Eingeborenengewandes, das du trägst?«
Entchen hob den Ärmel seines Wollmantels. Herns Mantel und meiner sind schmucklos, doch Entchen hat, weil er der Jüngste von uns ist, Bänder am Bündchen, auf denen ganz oft, in allen Federfarben der Enten, Entchen geschrieben steht. Sie sind mittlerweile stark ausgeblichen. Entchen ärgerte es sehr, dass solch ein kindlicher Schmuck an ihm entdeckt wurde. »Das ist nur mein Name«, erwiderte er grantig.
»Recht ärmlich, findest du nicht?«, fragte Kankredin. »Und was für ein alberner Name. Und du, Mädchen dreh dich um und lass es mich sehen –, was um alles in der Welt ist denn das da auf deinem Kleid? Hm?«
Ich schämte mich sehr und wurde zugleich wütend. Robins Kleid ist
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