Jones, Diana Wynne
glitten wir weiter, und ich konnte noch immer nicht erkennen, was für ein schwarzes Ding uns da eigentlich den Weg versperrte. Ich drückte mir den Jüngling an die Brust und flehte zu ihm, er möge uns beistehen.
»Mutter!«, wimmerte Entchen wieder.
»Halt den Mund! Sie ist tot«, sagte Hern.
Immer weiter ging es. Der weiße Regen hüllte uns ein. Alles war weiß. In einem weißen Kreis fuhren wir durch graues Wasser, und selbst vom Sumpf war nichts mehr zu sehen. Ich hörte eine Ente schnattern, und über uns schrie eine Möwe. Weil ich mich vor Möwen fürchtete, blickte ich auf, aber ich konnte den Vogel nicht sehen. Der Regen schien aufgehört zu haben. Das ist nicht sonderlich furchteinflößend, meint ihr? Im nächsten Moment trieb unser Boot zwischen zwei Enten, die mit großem Geschrei auseinander stoben. Und wir konnten die Vögel nicht sehen. Ihr habt gewiss selbst schon beobachtet, wie Enten flügelschlagend übers Wasser rennen, bis sie schnell genug sind, um in die Lüfte zu steigen. Wir sahen zwar die beiden aufgewühlten Spuren auf der Oberfläche und die sprühenden Tropfen, die sie mit ihren Schwingen aus dem Wasser schlugen, und die letzte Fontäne, mit der sie sich in die Luft erhoben. Wir hörten ihr Quaken, wir spürten den Luftzug ihres Flügelschlags auf unseren Gesichtern. Nur sehen konnten wir die Enten nicht.
»Was ist mit uns?«, fragte Entchen.
»Wir sind jedenfalls nicht blind geworden«, sagte Hern. Seine Stimme überschlug sich. »Sonst könnten wir das Wasser nicht sehen.« Mittlerweile hatte er seine Versuche aufgegeben, das Boot steuern zu wollen. Einen Arm auf der Ruderpinne, warf er wilde Blicke um sich, als wolle er seine Augen zwingen, wieder mehr wahrzunehmen.
Das Boot legte sich quer und trieb weiter. Ich entdeckte das sich ausbreitende Kielwasser eines schwimmenden Blässhuhns und zahlreiche Bewegungen auf dem Wasser. Ich hörte Vögel über uns, konnte aber keinen einzigen entdeckten, bis wir plötzlich, übergangslos und ohne Warnung, auf dem Meer trieben. Und hier konnte ich auf einmal alle Vögel wieder sehen.
Das Hindernis lag nun hinter uns. Es war ein großes Netz, hoch wie ein Haus und schwarz wie die tiefste Nacht. Es bestand aus großen Vierecken und erstreckte sich von einem Ufer zum anderen. So weit wir blicken konnten, hing es an Pfosten, über den Sümpfen und den unzähligen schmalen Mündungen des Stroms. Im Schlamm hinter dem Netz saßen die Vögel; sie fraßen und flatterten wie zuvor, aber jetzt konnten wir sie wieder mühelos ausmachen. Weiter weg, ebenfalls hinter dem Netz, sahen wir das Boot mit den beiden Heiden, die nach wie vor ihrem eigenartigen Geschäft nachgingen.
Zur anderen Seite dehnte sich ein endloses Blau aus. Das Meer ist ein großes Feld aus Wasser. Wo es den Himmel berührt, wird das Blau dunkler. Es ist riesig und für mich viel zu weit. Darum war ich froh über das lange schwarze Schiff, auf dem ich meinen Blick ruhen lassen konnte. Nicht allzu weit entfernt lag es vor Anker und schwang an seinen Trossen hin und her. Auf beide Seiten des scharfen schwarzen Bugs waren große Augen gemalt, mit denen es uns anzustarren schien.
»Seht nur! Seht! Da im Netz!«, rief Entchen.
Auf der dem Strom zugewandten Seite des Netzes zappelte an vielen Stellen etwas in den Maschen. Was da zappelte, war nicht besonders deutlich zu erkennen, aber meist waren es recht große Gebilde, in etwa so groß wie eine Gans oder ein Schwan. Ich glaube, sie hatten Flügel und waren rosafarben. Wenn eines von ihnen ans Netz kam, kämpfte es wütend gegen das schwarze Hindernis an. Der Kampf an sich ließ sich müheloser beobachten als das Wesen, das ihn führte. Hin und wieder gelang es einem dieser Geschöpfe, sich durch die weiten Maschen zu zwängen. Dann flog es aufs Meer hinaus und verlor sich rasch im tiefen Blau. Viele, sehr viele aber gaben den Kampf auf und rutschen innen am Netz hinunter. Überall sahen wir sie zappeln und ins Wasser klatschen. Sie waren es, die von den beiden Heiden im Boot aufgesammelt wurden.
»Das sind Menschenseelen«, sagte Entchen.
»Ich glaube es nicht«, sagte Hern und stierte fassungslos auf das Geschehen. »Ich glaube es einfach nicht.«
In diesem Moment entdeckten uns die Heiden in dem kleinen Boot. Sie brüllten wütend auf und stakten am Netz entlang näher. Hern riss rasch die Pinne herum und ließ den Wind in unser Segel. Es war ein böiger Tag. Ich glaube, das Netz verursachte den Regen und den Nebel. Mit dem
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