Jones, Diana Wynne
der Mühle blickte, sah ich sie zusammen am Mühlbache zwischen den Vergissmeinnicht spazieren gehen. Seinem Gesicht nach verbreitete Zwitt düstere Warnungen. Unser König lachte und klopfte Zwitt leutselig auf den Rücken. Ich verstehe, warum der König so vergnügt war: Er wusste nun, dass wir die Wahrheit gesagt hatten und unser Einer tatsächlich der Eine ist. Ich glaube, er ist mit Absicht nach Iglingen gezogen. Zumindest hätte ich das getan, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. Das muss ich zugeben, auch wenn mir das Herz schwer ist. Er wird uns nun niemals mehr gehen lassen. Hern sagt, Zwitt habe dem König das Versprechen abgenommen, ihn doppelt zu bezahlen, damit er uns in Ruhe lässt. Doch wie leichtfertig gibt der König ein Versprechen.
»Deine Freunde auf der anderen Seite sagen, du hättest böse Zauber auf sie gelegt«, wandte sich Jay an mich. »Bist du eine Hexe?«
»Das wünschte ich mir! Dann … dann würde ich ihnen die Füße auf den Rücken drehen!«, rief ich.
»Na, na, nur nicht die Beherrschung verlieren!«, entgegnete Jay.
Ich bin noch immer verbittert. Ich schlafe im Obergeschoss der Mühle, und von dort aus kann ich sehen, dass unser Haus in Trümmern liegt. Das ist Zwitts Werk. Nach dem Weben verlangte es mich nur, um meine Gedanken von meinem Ingrimm und meiner Angst um Robin abzulenken. Dann hatte ich den Traum von meiner Mutter. Und danach kam Onkel Falk.
Wir stellten Robin ein Bett in dem trockenen Zimmer des Erdgeschosses auf. Das Zimmer hat eine Tür, durch die das Mehl verladen wurde. Sie blickt auf den Strom. Ich lasse sie tagsüber die ganze Zeit offen stehen, damit Robin ihn sieht. Während ich mit Weben beschäftigt war, war der Strom in seiner Schönheit nicht zu überbieten. Sein Wasser strahlte in einem tiefen, leuchtenden Grün wie ein Auge, in das das Licht der Sonne fällt. Träg und langsam fließt er dahin. Die Sonne strahlt herab und verwandelt das Wasser in grünes Gold. Die Mücken kreisen, und immer wieder springt ein Fisch heraus, oder eine Weidenknospe fällt schwer hinein und treibt an die Türschwelle. Robin aber genießt den Anblick nicht. Und ich finde es sehr schwierig, geduldig mit ihr zu sein.
Am ersten Tag stand ich kurz davor, sie vor Wut durchzuschütteln. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, wollte ich Gull bei uns haben, wo ich ihn sehen konnte. Wenn wir ihn gegen den Jüngling austauschten, würde niemand außer uns den Unterschied bemerken. Robin wickelte Gull aus und gab ihn mir, aber sie wollte auf keinen Fall den Jüngling an seiner statt annehmen.
»Ich möchte ihn nicht in meiner Nähe haben«, winselte sie. »Nimm ihn weg.«
Ich musste den Jüngling in meinem Bett ein Stockwerk höher verstecken. Wenn ich ihn nur erwähne, beginnt Robin schon zu weinen. An den Einen aber klammert sie sich so sehr, dass ich nur selten einen Blick auf ihn erhaschen kann.
An diesem Abend kam der König, um sich nach seinem ›güldnen Edelmann‹ zu erkundigen. Robin verweigerte unserem König jedoch standhaft die Erlaubnis, den Einen auch nur ein einziges Mal anzusehen.
»Ich wünschte, der König ließe uns in Ruhe«, sagte sie.
Dann legte Schätzchen ihr eine Maus ins Bett, und man hätte glauben können, das Tierchen wäre eine Giftschlange gewesen. Danach kam Jay zu uns. Er verbreitete Lärm und Fröhlichkeit. Lachen, so sagt er, habe große Heilkraft. Doch eigentlich kam er, begriff ich unversehens, um Robin den Hof zu machen. Ich war entsetzt. Es scheint mir immer noch nicht richtig, dass er um sie wirbt, während sie krank daniederliegt. Jay ist schon alt und hat viele Frauen geliebt. Damit brüstet er sich. Auch das entsetzte mich. Trotzdem kann ich ihn gut leiden. Meine Gedanken waren deshalb ganz durcheinander.
»Magst du Jay genügend, um ihn zu heiraten?«, fragte ich Robin, nachdem er wieder gegangen war.
Robin erschauerte. »Nein! Ich kann es nicht ertragen, wie er mit seinem Armstumpf herumfuchtelt!«
Das ist wahr. Jays Armstumpf scheint von eigenem Leben beseelt zu sein. Ich sehe ihm auch nicht sehr gerne zu. »Magst du ihn denn gar nicht?«, fragte ich. »Er mag dich nämlich.«
»Sag kein Wort mehr darüber! Ich will ihn nicht! Und ich werde niemals heiraten!«, rief Robin verzweifelt. Ich hätte mich treten mögen. Erst lange nach Mitternacht hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie einschlafen konnte.
Als sie endlich schlief, öffnete ich die Tür zum Strom, setzte mich auf die Schwelle und blickte nachdenklich aufs
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