Jones, Diana Wynne
richtig hin, was der König so glaubt«, entgegnete Entchen. Er hob die Spindel auf und stocherte düster damit im Boden herum.
»Ich weiß, dass ich dem Einen nicht gehorcht habe«, sagte ich.
»Doch, das hast du! Stell dich doch nicht dümmer an, als du bist«, sagte Entchen und stach mit der Spindel in die Erde. »Der Eine hat dafür gesorgt, dass es so kam, wie es kam! Er war noch nicht stark genug, um Kankredin gegenüberzutreten. Wenn wir auf ihn gewartet hätten, wäre er wohl nie aus dem Feuer gekommen. Der Eine allein weiß, was geschehen wäre, wenn Hern wirklich Wasser ins Feuer gegossen hätte!«
»Hör auf, meine Spindel kaputtzumachen«, sagte ich. »Willst du den Einen etwa einen Feigling schimpfen?«
Entchen betrachtete mich durch sein Haar von der Seite. Er bindet es sich zwar mit einem Band im Nacken zusammen, aber es fallen ihm immer einige helle Strähnen ins Gesicht. »Nein«, sagte er. Er hockte am Boden und zeichnete mit meiner Spindel ein Muster um einen Grassoden. An irgendjemanden erinnerte er mich. »Der Eine ist so tiefgründig wie der Strom«, fuhr er fort. »Tanamil hat es alles gewusst. Ihn hätten wir fragen sollen.«
»Dann begreifst du alles?«, fragte ich spöttisch. »Erklär’s mir.«
Entchen sah mich wieder von der Seite an. »Du würdest mir sowieso nicht glauben, bevor du von selber darauf gekommen wärst.«
Da wusste ich, an wen Entchen mich erinnerte: an Ked, den undankbaren Heidenlümmel, wenn er log. Am liebsten hätte ich ihn in den Schlamm des leeren Mühlbachs geworfen, weil er sich über mich lustig machte. Stattdessen stieß ich ihn zur Seite, weil er meine Spindel schmutzig gemacht hatte, und stapfte wutschnaubend zurück in die Mühle.
Ich war so zornig, dass ich meinen Mantel vom Webstuhl nahm und ihn zur Stromtür trug, wo ich nachlesen wollte, dass Entchen, meinem eigenen Bericht zufolge, Unsinn redete. Zuerst hielt ich ihn hoch und schaute ihn an. Es ist ein sehr hübscher Mantel in düsteren Farben, nur hier und da stechen helles Gelb und flammendes Rot hervor. Er ist auch sehr groß. Vorn laufen die düsteren Farben in der Mitte zu einem Muster zusammen, und dieses Muster bildet den gleichen Schemen mit langer Nase und gesenktem Kopf, den ich sah, als Onkel Falk kam. Kaum bemerkte ich das, drehte ich den Mantel hastig herum. Auf dem Rücken entdeckt man eine Heiterkeit in den Mustern, die sich zu der Zeit einstellt, als wir Tanamil begegneten. Ich sah nicht sofort, dass gleichzeitig auch Kankredins Umriss dort war, aber so ist es. Er besteht aus Grau-und fahlen Grüntönen, die schwerer zu erkennen sind. Um den Hals des langnasigen Schemens läuft, nahe dem Saum, ein Band, das mit jenen ausdrucksvollen Verschlingungen gewoben ist, die Tanamil mir gezeigt hat. Es drückt meine tiefe Furcht vor Kankredin und seinem Seelennetz aus. Sonst läuft nichts über den ganzen Mantel, außer der Stelle, an der ich die lange Klage um meinen Vater wieder aufgetrennt habe. Ich glaube nicht, dass selbst Robin sie erkennen würde, solange ich sie ihr nicht zeige.
Als ich den doppelten Schemen sah, packte mich solch schreckliche Angst, dass ich den Mantel fallen ließ. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Leib, und am liebsten hätte ich Robin geweckt. Doch ich sagte mir: Diesen Mantel habe ich mit eigener Hand gewebt. Ich habe ihn gemacht, damit er den Zweck unserer Reise festhalte. Niemand fürchtet sich vor etwas, das er selbst geschaffen hat. Lies, Tanaqui, und ergründe, was du gemeint hast.
Ich kniete mich in der Tür auf den Boden und las, was ich gewoben hatte. Fast den ganzen Morgen brauchte ich dazu, obwohl ich immer wieder Stellen fand, über die ich sehr rasch hinweggehen konnte, weil ich mich noch gut erinnerte, was ich dort gewoben hatte. Zuerst wirkte mein Werk sehr beruhigend auf mich. Hier waren wir alle wir selbst, Robin, Hern, Entchen, ich und selbst der arme Gull, und dort war mein geliebter Strom in seiner größten Zeit, wie immer ein Teil unseres Lebens. Mir fiel manches auf, worüber ich in diesen drei Tagen, die ich schon an meinem zweiten Mantel webe, viel nachgedacht habe.
Ich hatte gerade die Stelle gelesen, an der uns Schätzchen zuläuft, da hätte ich schwören können, den Schrei einer Seemöwe zu hören. Ich schaute zuerst den roten, sandfarbenen Gull neben meinem Spinnrad an. Dann blickte ich auf den blätterbedeckten grünen Strom hinaus. In der Nähe von Iglingen gab es keine Seemöwen. Ich dachte, ich hätte mir den Laut nur
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