Jones, Diana Wynne
verwahren sich die Leute dagegen; wir würden uns auch weigern, wenn jemand an unsere Tür käme und uns alles wegnehmen wollte, was wir über den Winter gerettet haben, bevor die Felder wieder Früchte tragen. Der König verspricht Bezahlung und nimmt den Leuten so viel, dass sich in den Trosswagen, auf denen wir sitzen, die Kornsäcke und toten Schafe stapeln. Collet ist der Kämmerer unseres Königs, und er lernt die Schulden auswendig. Er sagt, er halte viele Tausend geschuldete Beträge im Gedächtnis, seien es versprochene Belohnungen oder die Entschädigung für beschlagnahmte Esswaren. Er glaubt nicht, dass sie jemals beglichen werden.
Nach dem Hochwasser war die Reise sehr rau. Robin litt immer mehr, und nach einer Weile wurde sie zu schwach, um an den schlimmeren Strecken auszusteigen und neben dem Wagen herzulaufen. »Ich halte das einfach nicht mehr aus!«, sagte sie eines Abends, nachdem die Sonne versunken war, und trotzdem ging es rüttelnd und ratternd weiter.
Hern hatte zu uns in den Wagen geblickt und gesehen, wie krank Robin wirklich war. Er ging zum König und fragte ihn, ob wir eine Pause einlegen könnten.
»Ach, das Licht reicht noch für ein paar Meilen«, sagte unser König. »Außerdem scheinen sich uns von hinten Heiden zu nähern.« Der König hört von allen, denen wir begegnen, Neues über die Heiden. Und so fuhren wir weiter.
Ich war so wütend, dass ich vom Wagen sprang und zwischen den Pferdebeinen hindurch zum König rannte. »Majestät!«, brüllte ich. »Der Eine wünscht, dass wir hier halten!«
Ich hätte nicht gedacht, dass der König auf mich hören würde, doch ich irrte mich. Wir machten auf der Stelle Halt. Danach wählte ich jeden Tag unseren Lagerplatz aus, indem ich für den Einen sprach. Auf diese Weise ersparten wir Robin einiges Gerüttel. Mich erstaunt, dass unser König wirklich glaubt, ich wüsste, was der Eine wünscht, aber ich glaube, abgesehen davon nimmt er wirklich nichts ernst. Jedenfalls bin ich so zur Sprecherin des Einen geworden. Jeden Tag fragt der König mich im Spaß: »Und was hat der güldne Edelmann mir heut zu sagen, Wuschelköpfchen?« Ich könnte ihm antworten, was ich will.
»Wenn er dir glaubt, dann glaubt er alles!«, bemerkte Hern dazu verächtlich.
Unser König redet natürlich mit jedem, frei heraus und fröhlich, doch danach sprach er viel öfter als zuvor mit mir. Ich kann mit ihm nicht vertraut werden. Das Gewicht seiner Königswürde und all unserer Könige vor ihm macht ihn für mich zu einer zu schweren Last. Auch unsere Lage bedrückt mich. Gefangene kann man uns nicht nennen, aber was sind wir dann? Wenn er also seine Scherze treibt, lache ich nicht.
»Wuschelköpfchen, du kommst wirklich aus einer sehr ernsten Familie«, sagte er eines Tages zu mir, während wir ein braunes Feld überquerten, auf dem das Gras in lang gestreckten, schlammigen Wellen am Boden klebte. »Kannst du denn nicht einmal lachen? Ich weiß, dass du es nicht leicht hattest, aber schau mich einmal an. Ich habe meine beiden Söhne, meine Frau und mein Königreich verloren, und trotzdem kann ich noch lachen.«
»Ich nehme an, du freust dich schon darauf, die Hei den zu schlagen und dein Königreich zurückzuerobern, Majestät«, entgegnete ich, »ich aber nicht.«
»Großer Einer!«, rief er und zwinkerte mich an. »Das glaubst du, Ernstbäckchen? Das habe ich mir schon vor Monaten aus dem Kopf geschlagen. Meine größte Hoffnung besteht darin, meine Haut zu retten, bis ich einen neuen Erben habe. Mein Sohn wird es sein, der von der Hilfe des Einen profiziert, nicht ich.«
Damals hielt ich seine Worte nur für einen neuen Witz, doch mittlerweile ist mir klar geworden, dass unser König in der Tat nicht die Absicht hegt, noch einmal gegen die Heiden zu kämpfen. Täglich befragt er mich nach ihnen, doch mit dem Wissen bezweckt er nur, ihnen auszuweichen.
Oftmals hat es mir schon auf der Zunge gebrannt, ihm zu sagen, dass der Heide, vor dem er davonläuft, nur Kars Adon sei – obwohl ich glaube, dass Kars Adon die Wahrheit sagte, als er erwähnte, dass es noch andere kleine Scharen gibt –, während die wirkliche Gefahr von Kankredin ausgehe. Doch ich habe geschwiegen. Kars Adon ist ein Heide und unser Feind, aber auf seine Weise ist er unserem König vorzuziehen. Ich verheimliche unserem König nichts. Jay hat mir erzählt, wie schrecklich die Kriege waren. Trotzdem werde ich dem König nichts von Kars Adon verraten. Entchen hält ebenfalls den Mund.
Weitere Kostenlose Bücher