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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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beiden Armen umschlang. Sie zerrte ihn wieder ins Haus und sagte: »Ich stecke ihn ins Bett. Er jagt mir Furcht ein.«
    »Das Hochwasser kommt«, sagte ich.
    »Das weiß ich«, entgegnete Robin. »Ich spüre es auch. Ich schicke Entchen raus.« Sie schob Gull durch die Tür und knallte sie hinter sich zu.
    Gemeinsam mit Hern zog ich den Kahn auf die Böschung hoch. Die Arbeit war schrecklich anstrengend, weil das Boot ein gutes Stück von der Kante entfernt im Schlamm steckte. Hern ist zum Glück viel kräftiger als er aussieht. Als wir es am Ende über die Kante der Böschung wuchteten, schoss das eklige grüne Wasser schon in an-und abschwellenden Wogen vorbei, von denen einige so hoch waren, dass sie in die Löcher schwappten, die das Boot hinterlassen hatte.
    »Das Wasser wird höher steigen denn je«, sagte Hern. »Ich finde, wir sollten das Boot lieber nicht hier draußen liegen lassen, was meinst du?«
    »Du hast Recht«, antwortete ich. »Wir tragen es besser in den Holzschuppen.« Unser Holzschuppen ist ans Haus angebaut, und das Haus steht auf dem ansteigenden Gelände hinter der Böschung. Hern stöhnte, pflichtete mir jedoch bei. Wir holten drei unserer letzten runden Scheite herbei, um sie als Rollen zu benutzen, dann zogen wir beide ganz alleine das schwere Boot den Hang hinauf. Als wir damit vor dem Holzschuppen anlangten, öffnete sich die Tür des Verschlags, und Entchen trat heraus.
    »Du kommst aber früh!«, rief ich.
    »Tut mir Leid«, sagte Entchen. »Wir haben Gull ins Bett gesteckt. Er ist sofort eingeschlafen. Ich finde es schrecklich, so wie er jetzt ist. Ich glaube, in ihm drin ist alles leer!« Entchen fing zu weinen an. Hern und ich verhakten unsere Arme, während wir beide versuchten, Entchen zu umschlingen.
    »Bald geht es ihm wieder besser«, tröstete ich ihn.
    »Der Schlaf wird ihm gut tun«, sagte Hern. Ich glaube, genauso sehr wie Entchen sprachen wir auch uns selbst zu.
    »Gull ist nun das Oberhaupt der Familie«, erwiderte Entchen und begann lauthals zu schreien. Ich beneide beide Jungen darum, dass sie sich mit lautem Schreien Luft machen können.
    Hern sagte: »Hör jetzt auf damit, Entchen. Uns steht das schlimmste Hochwasser aller Zeiten bevor. Wir müssen unsere Sachen ins Haus schaffen.« Der Strom hatte mittlerweile zu zischen begonnen, schschsch und schschsch machte er und wurde immer breiter; der Wasserspiegel stieg rasch an. In den Gestank des Winters mischte sich ein neuer, feuchter Geruch, der uns erheblich besser gefiel. Ich spürte unter uns den Boden zittern; das kam vom Gewicht des Wassers, das sich aus der Ferne heranwälzte.
    »Ich kann es riechen«, sagte Entchen. »Aber ich hab gewusst, dass noch genügend Zeit war, sich erbärmlich zu fühlen. Ich lass es jetzt sein.« Er hörte wirklich damit auf, obwohl er während der nächsten Stunde fast ununterbrochen schniefte.
    Wir verkeilten das Boot im Holzschuppen. Ich schlug vor, auch die Hühner hier unterzubringen. Hühner sind lustige Tiere. Obwohl sie so dumm wirken, würde ich schwören, dass unsere Hühner das ankommende Hochwasser genauso spürten wie wir. Wir suchten nach ihnen, aber sie waren alle durch die Hecke auf den Hang über Tante Zaras Haus verschwunden und ließen sich nicht zurückholen. Nicht einmal mit Futter konnten wir sie zu uns locken. Auch die Kuh wollte zuerst nicht in den Garten gehen. Dabei hatte sie normalerweise nichts andres im Sinn, als sich dort hineinzuschleichen und uns den Kohl wegzufressen. Wir schoben und zerrten an ihr und trieben sie mit dem Stachelstock, weil wir uns sicher waren, dass sie am Flussufer in Gefahr schwebte, und schließlich banden wir sie an einer Stelle an, wo sie das Unkraut auf dem Gemüsebeet grasen konnte.
    »Sie kommt schon noch an die Kohlköpfe«, sagte Entchen. »Guckt doch, wie sie sie anschaut.«
    Wir zogen alle Kohlköpfe in ihrer Nähe heraus, als Robin aus dem Haus kam. »Gute Idee«, sagte sie. »Zieht so viele raus, dass sie für eine Woche reichen. Ich glaube, morgen steht das Hochwasser bis ans Haus. Es wird eine gewaltige Flut werde. Das fühle ich.«
    Eilig ernteten wir Kohlköpfe, Zwiebeln und die letzten Mohrrüben und warfen sie in der Spülküche auf den Fußboden.
    »Nein«, sagte Robin. »Legt sie auf die Regale. Das Wasser steigt bis hierher.«
    Sie ist die Älteste und kennt den Fluss am besten. Wir gehorchten. Mittlerweile dämmerte es. Der Strom rumpelte gewaltig, und ich beobachtete ihn, während Robin die Kuh molk. Beindicke

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